Pflegenotstand spitzt sich zu

Studie: Vier Millionen Bedürftige bis 2035

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Berlin. Bis zum Jahr 2035 sind nach einer Studie voraussichtlich vier Millionen alte Menschen in Deutschland auf Pflege angewiesen. Ausgangspunkt der Berechnung sei die Versorgung der Bevölkerung der kommenden Jahrzehnte zu heutigen Bedingungen, teilte das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) am Montag in Berlin mit. Die Zahl der Pflegefachkräfte müsse angesichts der steigenden Zahlen deutschlandweit bis 2035 um 44 Prozent auf rund eine halbe Million steigen. Damit die Betroffenen nicht immer höhere Eigenanteile für die Pflege zahlen müssten und die Pflege nicht zur »Politik nach Kassenlage« werde, forderte das Institut eine automatische Anpassung der Leistungen der Pflegeversicherung an die Entwicklung der Pflegepreise. 2015 waren rund drei Millionen Menschen pflegebedürftig.

Vor allem in Ostdeutschland sei der Anteil der Pflegebedürftigen an der Bevölkerung hoch, mit zum Beispiel rund 5 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern bei 3,7 Prozent im Bundesschnitt. »Schon heute fehlen entsprechende Fachkräfte - und die Lücke wird stetig größer«, mahnte das Institut. Derzeit kommen laut IW auf 100 bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeldete Stellen für Altenpfleger gerade einmal 22 arbeitslose Fachkräfte. Dabei werde nur etwa jede zweite offene Stelle bei der BA gemeldet. Als Altenpfleger arbeiteten derzeit 244 000 Menschen, hinzu kommen 228 700 Altenpflegehelfer. »Die Lücke wird größer«, sagte die IW-Expertin Susanna Kochskämper. Um einen Kollaps zu verhindern, müsse der Pflegeberuf attraktiver werden.

Angesetzt werden sollte laut IW einerseits bei der Bezahlung. Altenpfleger verdienten mit 2621 Euro monatlich im Schnitt 19 Prozent weniger als Gesundheits- und Krankenpfleger. Die Reformen und Pläne der Bundesregierung reichen laut IW bisher nicht. So sei von der Zusammenlegung der Ausbildungen der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege zu erwarten, dass viele in die besser vergütete Krankenpflege gehen. Am Entwurf zum Pflegepersonal-Stärkungsgesetz von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bemängelte das IW, es bringe viel Bürokratie und solle zeitlich befristet gedeckelte Budgets bereitstellen.

In der vergangenen Woche hatten bereits die Gewerkschaften Alarm geschlagen. Laut einer Erhebung von DGB und ver.di fühlen sich Hunderttausende Pflegekräfte durch Überlastung, Dauerstress und geringe Bezahlung ausgezehrt. Ver.di setzt im Einklang mit dem Koalitionsvertrag auf einen neuen Tarifvertrag für die Pflege.

Laut einer weiteren neuen Umfrage sind aber auch die Angehörigen in hohem Maß zur Pflege bereit. 86 Prozent der Menschen in Deutschland geben eine grundsätzlich Bereitschaft an, nahe Angehörige mehrere Stunden in der Woche zu pflegen, wie Forsa im Auftrag der Techniker Krankenkasse ermittelt hat. dpa/nd

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