Eine Linke ...

Die parteilose Martina Trauth tritt bei der Oberbürgermeisterwahl für die Sozialisten an

Die andere Frau unter den sechs Kandidaten für die Potsdamer Oberbürgermeisterwahl - gemeint ist Janny Armbruster - lud auch zu einer Radtour ein. Stilecht, möchte man sagen, denn Janny Armbruster ist die Kandidatin der Grünen - einer klassischen Radfahrerpartei.

Aber Martina Trauth (parteilos, für LINKE) war im Wahlkampf auch mit ihrem Fahrrad unterwegs - beispielsweise am Sonnabend mit Uwe Klett (LINKE), ehemals Bürgermeister im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf und später Bürgermeister in der brandenburgischen Gemeinde Fredersdorf-Vogelsdorf. Klett lebt in Berlin, aber aufgewachsen ist er in Potsdam-Babelsberg. Er ist ein Radfahrer, wie er im Buche steht, hat sich in jeder Verwaltung, an deren Spitze er stand, um die Anschaffung von Dienstfahrrädern gekümmert. Nun führt er eine Gruppe von 15 Interessierten bei einer politisch-historischen Radtour durch die Villenkolonie Neubabelsberg, zeigt die Gegend, in die Besucher zwischen 1961 und 1989 wegen der Grenze zu Westberlin nur mit einem besonderen Passierschein hineindurften. Er zeigt das Haus, in dem der Schriftsteller Peter Weiss (»Ästhetik des Widerstands«) als ganz kleiner Junge lebte, zeigt das Haus, in dem US-Präsident Harry S. Truman 1945 während der Potsdamer Konferenz wohnte. Truman befahl dort den Abwurf der Atombombe auf das japanische Hiroshima.

Es werden Fragen gestellt, Uwe Klett antwortet oder jemand anders, der etwas dazu weiß. Martina Trauth hört zu, macht Fotos mit ihrem Mobiltelefon. Als die Gruppe an einer Kaufhalle vorbeirollt, hebt sie die Hand und winkt den beiden Frauen zu, die dort an einem Infostand der Linkspartei Wahlkampf für sie machen. Gerade noch hat Martina Trauth mit ihnen dort gestanden. Auf der anderen Straßenseite hängen Plakate der Mitbewerber Mike Schubert (SPD) und Götz Friedrich (CDU). Auf dem Boden liegt ein Plakat von Dennis Hohloch (AfD). Offensichtlich hat es jemand heruntergerissen.

Bettina Praetorius versucht, Kunden und Passanten zu überzeugen. Sie ist die Wahlkampfmanagerin von Martina Trauth. Warum am 23. September die linke Martina Trauth ankreuzen und nicht den linksalternative Lutz Boede von der Wählergruppe »Die Andere«? Klar, Lutz Boede sei »super, ein guter Mann«, gibt Praetorius zu. Bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr will sie ihn sogar selbst ankreuzen. Aber jetzt nicht. Jetzt wäre jede Stimme für Lutz Boede verschenkt, weil er ja doch nicht Oberbürgermeister werden könne, aber die Stimme dann Martina Trauth fehlen könnte. Was wäre denn, wenn Trauth deswegen die Stichwahl verpasst? Dann wären alle beiden linken Kandidaten ausgeschieden und die Wähler könnten nur noch zwischen dem Sozialdemokraten Schubert und dem Christdemokraten Friedrich entscheiden. Das dürfe nicht sein. So denkt Wahlkampfmanagerin Praetorius, die genauso wie Trauth parteilos ist.

So denkt aber auch Karla Falticzka. Sie steht neben Praetorius am Infostand, gehört der Linkspartei an und findet Lutz Boede ebenfalls gut. Bei der Kommunalwahl 2019, wenn sie drei Stimmen für die Stadtverordnetenversammlung abgeben darf, dann nicht alle drei an Kandidaten der eigenen Partei, sondern nur zwei. Eine Stimme hebt Falticzka dann für Lutz Boede auf. Wenn mehrere Stimmen zu vergeben sind, teile sie die immer so auf, erklärt sie. Denn die LINKE sei manchmal gezwungen, Realpolitik zu machen und Kompromisse einzugehen. Aber da sei es gut wenn Boedes Fraktion »uns von links ...«, sagt sie, und stößt dazu die Faust in die genannte Richtung. »...Druck macht«, meint sie. Bloß jetzt bringe eine Stimme für Boede nichts. Man solle unbedingt Martina Trauth ankreuzen.

Die Kandidatin selbst betont, dass sie zwar parteilos, jedoch links sei. Einige Auffassungen der Linkspartei teile sie nicht, so die Ansicht, mit der sogenannten Havelspange, einer zusätzlichen Straßenbrücke über den Fluss, ließen sich die Verkehrsprobleme Potsdams lösen. Doch was mache das schon, diese kleinen Differenzen in einzelnen Fragen. Es sei auch nicht jeder Genosse ausnahmslos mit allem einverstanden, was die LINKE wolle.

Zum Wiederaufbau der Garnisonkirche hat sich Trauth nicht geäußert, als sie als Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl präsentiert wurde. Sie möchte die durch eine verfehlte Politik zerrissene Stadtgesellschaft befrieden und wollte deshalb nicht gleich mit einem großen Streitthema loslegen. Die Antworten werden zu gegebener Zeit kommen, versprach Trauth damals. Jetzt, eine Woche vor der Wahl, sagt sie ganz klar: »Ich könnte ohne den Turm der Garnisonkirche leben. Aber da er nun gebaut wird, fände ich schön, wenn auf das Kirchenschiff verzichtet wird und das alte Rechenzentrum nebenan als Kunst- und Kreativhaus erhalten bleiben kann.« Eine lebendige Stadt benötige die Kreativen, und die Kreativen brauchen bezahlbare Ateliers.

Mit einem Umfragewert von 25 Prozent lag Trauth im August nur vier Prozentpunkte hinter Schubert (SPD) und sieben Prozent vor Götz Friedrich (CDU). Das würde am 23. September für den Einzug in die Stichwahl reichen - und dann werden die Karten neu gemischt.

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