Humorbefreite AfD

Netzwoche: Warum die Rechtsaußenpartei nichts mit einer Parodie des »Bohemian Browser Ballett« anfangen kann

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Autoritäre Bewegungen reagieren oft aggressiv, wenn sie sich angegriffen fühlen. Kommt dabei Satire zum Einsatz, verstehen sie selten Spaß - selbst wenn die Pointe nicht einmal allein auf ihre Kosten geht, sondern die breite Gesellschaft trifft. Metaebenen? Viel zu kompliziert!

Der Blogger Schlecky Silberstein musste nun erleben, dass auch die AfD zu den Humorbefreiten gehört. Vor einigen Tagen drehte Silberstein mit seiner Produktionsfirma im Auftrag des öffentlich-rechtlichen Jugendangebotes »Funk« in Berlin-Lichtenberg ein Satirevideo, das sich mit den Ereignissen in Chemnitz auseinandersetzt. Nach Angaben der Produktion des »Bohemian Browser Ballett« ergriff das Team Maßnahmen, damit auch der Letzte kapiert: Achtung, hier geht es nicht darum, die Realität abzubilden, sondern um eine Parodie! Für den Dreh wurden Hinweisschilder aufgestellt, auch irritierten Passanten erklärte man, warum zwei Dutzend Statisten die Tragödie von Chemnitz in all ihren absurden Facetten überspitzt nachstellen.

Allein die AfD wollte das nicht erkennen und sich zum Opfer einer gezielten Kampagne inszenieren. Kurz nach dem Dreh verbreitete die Partei ein Video wie auch eine Mitteilung in den sozialen Netzwerken, in der es hieß, »durch Zufall« sei ein Projekt »aufgedeckt« worden, mit dem versucht werde, die rechte Partei zu diskreditieren. »Die AfD ist entsetzt über den Versuch, Fake-Videos an einem falschen Parteistand zu drehen«, hieß es etwa auf der Facebookseite der Bundespartei. In einem Clip der Partei treten auch zwei Funktionäre auf, die sich über die »niederträchtigen Methoden« des »politischen Gegners« beschweren, der mit seinen »Argumenten völlig am Ende« sei und deshalb »solches Videomaterial fälschen« würde. Auf die Spitze trieb es AfD-Politiker Frank-Christian Hansel. Dieser ließ sich dabei filmen, wie er bei Silbersteins Produktionsfirma klingelt. Straße und Klingelschild sind dabei gut zu erkennen, dass Video wurde später von der AfD Berlin im Netz verbreitet.

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Auf schleckysilberstein.com beschreibt der Satiriker, was im Anschluss geschah. Weil nicht nur die AfD, sondern auch ihre Anhängerschaft mit Parodien nichts anzufangen weiß, erhielt Silberstein zahlreiche Drohungen, darunter auch antisemitische Hassmails, in denen auf seinen angeblich jüdischen Namen verwiesen wurde. (Im wahren Leben heißt Silberstein Christian Brandes.) »Wer Künstler und Journalisten bedroht und in den eigenen Kommentarspalten toleriert, dass Medienschaffende und ihre Familien dem Mob präsentiert werden, der kann keine Alternative sein«, warnt Silberstein eindringlich.

Inzwischen ist die AfD minimal zurückgerudert, will den Witz aber weiterhin nicht verstehen. So erklärte der Berliner Landeschef Georg Pazderski, der Partei gehe es um die Aufdeckung unlauterer Propaganda mit Geldern des öffentlich-rechtlichen SWR. Blöd nur: In dem fertigen Video des »Bohemian Browser Ballett« wird nicht allein die Rechtsaußenpartei parodiert, auch die Medien und selbst das »Wir sind mehr«-Konzert kommen nicht gerade gut weg. Aber das ist der AfD offensichtlich zu kompliziert.

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