Der Aachener Dom leuchtet

Das 1200 Jahre alte Bauwerk ist die erste deutsche Welterbestätte

  • Harald Lachmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Um in Aachen Dombaumeister zu sein, müsse man vor allem zwei Dinge mitbringen, schmunzelt Helmut Maintz: »Katholisch und schwindelfrei.« Damit untertreibt der diplomierte Bauingenieur jedoch gewaltig. Als er vor gut 32 Jahren an die Dombauhütte kam, zunächst als Bauleiter, begann gerade die umfassendste Restaurierung eines der spektakulärsten christlichen Bauwerke. Bereits 1978 hatte die UNESCO, als sie ihre Liste der wichtigsten Kulturstätten der Menschheit eröffnete, den Aachener Dom wegen dessen einzigartiger geschichtlicher und architektonischer Bedeutung in das Welterbe eingereiht - als erste Stätte in Deutschland, der die Ehre zuteil wurde.

Auch sonst kennzeichnen Superlative den Aachener Dom: Die achteckige Pfalzkapelle Karls des Großen - 793 bis 803 erbaut und auch letzter Ruheort des Kaisers - ist das besterhaltene Baudenkmal der karolingischen Zeit. Sie gilt als Symbol der Einigung und des Wiederaufstiegs Westeuropas seit Ende des Römischen Reiches. Nach dem Tod von Karl, dessen Sarkophag wie auch sein Kaiserthron noch heute im Dom zu besichtigen sind, wurden hier bis 1531 weitere 30 deutsche Könige gekrönt.

Mit jenem oktogonalen Zentralbau samt Kuppel und Umgang steht die Aachener Bischofskirche wie kein anderes Gotteshaus nördlich der Alpen in einer architektonischen Tradition, die bis zum Felsendom in Jerusalem zurückreicht. Durch den oktogonalen Baustil, 24 Säulen aus antikem Marmor sowie die Marmorverkleidungen im Inneren ragt sie aus allen Kathedralbauten Europas heraus.

Helmut Maintz, seit 2000 offiziell Dombaumeister, kennt das Bauwerk in all seinen Facetten wie kein zweiter. Es sei »keine Kathedrale aus nur einer Bauphase oder Stilrichtung«, erläutert er. Der Bogen spanne sich aus karolingischer Zeit über die gotische Chorhalle bis zur barocken Ungarnkapelle. Und immer habe man andere Steine verwendet und anders gebaut. Deshalb musste er sich bei den zahlreichen Restaurierungsprojekten, die er seit 1986 leitete, stets umstellen. Unterstützt durch die beiden Aachener Ingenieurschmieden, suchte sein Team deshalb immer wieder nach Lösungen, um etwa Fugen im 1200 Jahre alten karolingischen Oktogon so dicht zu bekommen, dass kein Regenwasser eindringt und die historische Authentizität nicht leidet. Dabei sei auch eine »ganze Reihe Bachelor- und Masterarbeiten entstanden«.

Stets ging es Maintz darum, die hochbetagte Bausubstanz schonend zu behandeln. Wo Steinfraß und Verwitterung schon zu statischen Beeinträchtigungen geführt hatten, tauschte er so wenig Originalmaterial wie nötig aus. »Gerade mit Hinblick auf den Welterbestatus und diese einzigartige historische Substanz ist man da dreifach vorsichtig«, gesteht er.

Rund 37 Millionen Euro ließ sich das Domkapitel - die administrative Leitungskörperschaft - des Bistums Aachen als Bauherr den Erhalt und die Sanierung von Deutschlands erster Welterbestätte seit 1986 kosten. Damit hatte der Dombaumeister jährlich rund eine Million Euro zur Verfügung. Die kam zu je einem Drittel aus öffentlichen Zuschüssen von Bund, Land und Kommune, vom 3000 Mitglieder zählenden Dombauverein, »der bei uns in Aachen natürlich Karlsverein heißt«, sowie aus Spenden, Baupatenschaften und Sponsoring in der Region.

Jene große Nähe der Aachener zu ihrer Kathedrale thematisiert maßgeblich das Open-Air-Spektakel »Der Dom leuchtet«, das die Stadt vom 22. bis 30. September erlebt. 14 Hochleistungsprojektoren erzeugen auf dem uralten Gestein eine Lichtshow, die die Geschichte des Doms seit Karl aus dem frühmittelterlichen Dunkel holt und zeigt, wie »die Aachener stets für ihren Dom gekämpft und ihn geschützt haben«, so Maintz. Zugleich feiere man die 40. Wiederkehr der Erhebung ins Welterbe.

Seit der Naumburger Dom Aufnahme ins Welterbe fand, erhöhte sich die Zahl dieser Stätten in Deutschland auf 44. In den 1970er Jahren sei es leichter gewesen, sich zu bewerben, sagt Helmut Maintz. Den Aachenern reichten damals sechs A4-Seiten, heute sind bis zu 1000 Seiten erforderlich, um das Welterbekomitee in Paris zu überzeugen. Auch Pufferzonen mit einem Radius von 500 Metern, innerhalb derer auch die angrenzende Bebauung kritisch beobachtet wird, habe es damals nicht gegeben.

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