Die den Hass säen und Tod predigen

Michael Lüders entlarvt, wie die Saudi-Connection Iran ins Visier nimmt

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 5 Min.

Er liebt es, seine Buchtitel biblisch-apokalyptisch zu halten. Nach »Wer den Wind sät« (2015) und »Die den Sturm ernten« (2017) nach dem alttestamentarischen Propheten Hosea nun also »Armageddon im Orient« als das Gleichnis aus der Offenbarung des Johannes im Neuen Testament über die letzte große Entscheidungsschlacht. Überzogen hat Michael Lüders mit derlei Anspielungen auf das Nahost-Geschehen gewiss nicht.

Die abenteuerlich-katastrophale Politik der letzten vier US-Präsidenten - auch Bill Clinton, der einst mit »Change« antrat und zunächst ansatzweise eine neue Sicht auf den Mittleren Osten präsentierte, muss da genannt werden -, zerstörte ohne Sinn und Verstand das ohnehin labile Kräfte-Tableau in der Region. Und so hat neben dem seit 70 Jahren ungelösten arabisch-israelischen Konflikt auch die Region östlich davon seit 1980, dem Jahr des Beginns des irakisch-iranischen Krieges, kaum ein friedliches Jahr erlebt.

Man kann nicht einmal sagen, dass die auch im Wortsinne verheerende US-Mittelostpolitik den strategischen Interessen der Vereinigten Staaten besonders dienlich war, von politischer Weitsicht ganz zu schweigen. Im Gegenteil. Eher schon waren die Begründungen für Aggressionen und Kriege geprägt von der süffisanten Attitüde, sich nach dem Ende der Sowjetunion in einem Zeitalter der Unipolarität zu befinden und so die Welt, nicht zuletzt die zwischen Damaskus und Teheran, Kabul und Kairo, nach seinen ideologischen Vorstellungen zurechtbiegen zu können. Koste es, was und wie viele Menschenleben es auch wolle.

Man tritt dem Autor nicht zu nahe, wenn man anmerkt, dass dies zu ergründen keine umfangreichen Forschungen benötigte. Es genügte, die nüchternen Fakten aus den Nachrichten der vergangenen 20 Jahre zusammenzutragen. Aber das tut er eben auch - im Unterschied zu den meisten anderen Nahost-Beobachtern seiner Zunft, die sich, aus welchen Gründen auch immer, eher von herrschender politischer Diktion leiten lassen.

Der Untertitel des Buches lautet: »Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt«. Wer nicht Zeit und Gelegenheit hat, tiefer ins komplizierte mittelöstliche Politgeflecht einzudringen, und somit auf die Rezeption der gängigen Medien angewiesen ist, wird sich darüber vielleicht wundern, denn die Rolle des Bösewichts hat in der hiesigen Berichterstattung selten einmal nicht Teheran.

Lüders verweigert sich dieser Perspektive und versucht, die Dinge ins rechte Licht zu rücken. Dies tut er schon damit, dass er den saudischen Anspruch als Gralshüter des Islam und damit vermeintlich legitimierte Führungsmacht der Arabischen Liga, wenn nicht der gesamten islamischen Welt entmystifiziert. Denn, so weist er nach, Saudi-Arabien habe einerseits innerhalb kurzer Zeit eine »tiefgreifende Verwestlichung« erfahren.

Andererseits beherberge das Königreich nicht nur Mekka und Medina, die heiligsten Stätten des Islam, sondern sei heute vor allem der Hort des Wahhabismus, der momentan wohl rückständigsten und in ihren politischen Auswirkungen gemeingefährlichsten Auslegung des Islam. Der sunnitisch-wahhabitische Staatsislam habe, so Lüders, »in Saudi-Arabien ein gesellschaftliches Klima geschaffen, das geprägt ist von Fremdenfeindlichkeit, Engstirnigkeit und Takfir: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.«

Diesem Geiste folgend nutzten Saudi-Arabiens Herrscher seit Jahrzehnten einen beträchtlichen Teil ihrer gewaltigen Öleinnahmen, um in ihrem Sinne in aller Welt zu missionieren - mit Geld für Söldner und Waffen wie im Syrien-Krieg, für Moscheen und Religionsschulen überall dort, wo sich Muslime befinden. Die fundamentalistischen Prediger werden gleich mitgeliefert. Missionieren heißt in diesem Falle Hass säen und Tod predigen, besonders gegen jene, die von Saudi-Arabien als Ketzer, schlimmer als Ungläubige, verfemt werden; namentlich islamische Minderheiten wie vor allem die Schiiten in Iran, die Alawiten - zu denen die Assad-Familie gehört - in Syrien, Jesiden, Drusen.

Da der Schiismus in Iran Staatsreligion ist, wurde Teheran vom saudischen König Salman und seinem starken Mann, Kronprinz Mohammed bin Salman, mithin zum Hauptfeind erklärt. Lüders schildert, wie destabilisierend dies auf die Region wirkt, nicht ohne darauf hinzuweisen, wie wahnwitzig der Anspruch der saudischen Königsclique ist. Er zitiert dazu einen iranischen Regierungssprecher, der wiederum Anleihe bei einem mittelalterlichen persischen Dichter nahm: »Die Ameise, die einen Adler niederzuringen versucht, beschleunigt ihr eigenes Ende.«

Zum Leidwesen vor allem für die Nahostvölker ist die Sache damit aber aktuell nicht ausgestanden, denn aus schwer zu rechtfertigenden Gründen unterstützen alle relevanten westlichen Staaten den saudische Kollisionskurs in der Region: Lüders nennt hier vor allem den von Riad selbst geführten Krieg gegen Jemen und die - namentlich von US-Präsident Donald Trump und dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu mit wachsender Begeisterung befeuerte - tägliche Kriegshysterie gegen Teheran. Auch die deutsche Politik vermag sich über Parteigrenzen hinweg diesem Geiste nur wenig zu entziehen. Hingenommen wird zum Beispiel die völlig haltlose These Trumps, dass nahezu aller islamisch bemäntelter Terrorismus von Iran ausgehe.

Das findet Lüders erstaunlich, und noch erstaunlicher, dass dies hierzulande nicht entschieden zurückgewiesen wird. Man wisse zwar, dass 15 der 19 Luftterroristen vom 11. September 2001 saudische Staatsbürger waren. Davon ist aber keine Rede mehr. Die Hauptschuld für islamisch verbrämten Terrorismus sowie alle aktuellen Kriege im Nahen Osten schiebt Trump Teheran in die Schuhe. Da ist es beinahe schon erstaunlich, merkt Lüders sarkastisch an, dass »Trump nicht Teheran für 9/11 verantwortlich gemacht hat.«

Aber da das amerikanisch-saudische Verhältnis, wie Lüders schreibt, »auf einem engen Geflecht von Geld, Macht und Vertrauen beruht«, scheint es gegen historische Fakten immun zu sein. Und deshalb, so Lüders weiter, reagierte die Regierung George Bush jun. auf 9/11 mit einem folgenschweren »Krieg gegen den Terror«, der »mehrere Staaten in der Region zertrümmert hat, ohne jedoch das Geschäftsmodell zwischen Riad und Washington auch nur einzutrüben«.

Die Administration Trumps mag außenpolitisch in mancher Hinsicht sprunghaft und teilweise entgegengesetzt zur Mittelostpolitik von Vorgänger Barack Obama agieren. Was die Mittelostpolitik betrifft und speziell das Auftreten gegenüber Iran und Saudi-Arabien, das zeigt Lüders, wird die Destruktivität früherer Administrationen sogar noch übertroffen. Die Folgen dessen hört man täglich in den Nachrichten.

Michael Lüders: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt. C. H. Beck, 265 S., br., 14,95 €.

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