May im Auge des Sturms

Konservative Brexit-Hardliner und die nordirische DUP stellen sich gegen Theresa May - nun ist unklar, ob es im Parlament eine Mehrheit für ihren Brexit-Deal geben wird

  • Sascha Zastiral
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach einigen turbulenten Tagen hat der Freitag zunächst eine große Erleichterung für Großbritanniens Premierministerin Theresa May gebracht: Umweltminister und Brexit-Vorkämpfer Michael Gove stellte sich demonstrativ hinter May. Er freue sich darauf, »mit allen meinen Kollegen in der Regierung und im Parlament« weiter zusammenzuarbeiten, sagte Gove der BBC.

Erst einen Tag zuvor hatten zwei führende Minister aus Protest gegen Mays Entwurf für einen Brexit-Deal mit der EU ihre Posten niedergelegt: Arbeits- und Rentenministerin Esther McVey und - ausgerechnet - Brexit-Minister Dominic Raab. Gove ist derzeit der ranghöchste prominente Brexit-Unterstützer in Mays Kabinett. Hätte auch er der Premierministerin den Rücken gekehrt, hätte er damit wohl ihr politisches Schicksal besiegelt.

Aus dem Schneider ist May aber noch lange nicht: Berichten zufolge soll sich Gove geweigert haben, den frei gewordenen Posten des Brexit-Ministers zu übernehmen. Übers Wochenende könnten weitere Minister ihre Posten niederlegen. Und bereits Donnerstagabend forderte die konservative nordirische Democratic Unionist Party (DUP) eine Ablösung Mays - andernfalls wolle man gegen die Brexit-Vereinbarung stimmen. May ist im Parlament auf die Stimmen der DUP angewiesen.

Die Ursache für den politischen Sturm in Westminster ist die Unzufriedenheit über das Brexit-Abkommen, das May mit der EU ausgehandelt hat. Viele Brexit-Hardliner glauben, dass May gegenüber Brüssel eingeknickt sei. Das 585 Seiten starke Dokument sieht vor, dass Großbritannien bis Ende 2020 im Europäischen Binnenmarkt bleiben und weiter den Regeln der EU unterworfen sein soll. In dieser Zeit soll auch die Gerichtsbarkeit der EU-Gerichte weiter in Großbritannien gelten.

Um eine harte Grenze zwischen der Republik Irland und dem britisch verwalteten Nordirland zu vermeiden, sollen sowohl die EU als auch Großbritannien dazu verpflichtet werden, in einer gemeinsamen Zollunion zu verbleiben, falls die bis Ende 2020 geltende Übergangszeit verlängert werden sollte. London soll es dann nicht gestattet werden, britischen Unternehmen einen Vorteil zu verschaffen, indem sie beispielsweise Produktstandards senken oder Arbeitnehmerrechte aufweichen. Ein wichtiger Punkt für die Brexit-Hardliner: Großbritannien könnte auch keine Handelsabkommen mit Staaten wie China aushandeln. Und: London könnte sich aus dieser Anbindung an die EU nicht einseitig lösen.

Ein zentrales Argument der Brexit-Unterstützer im Vorfeld des EU-Referendums war, dass mit dem EU-Austritt der Zuzug von EU-Bürgern gestoppt würde. Gemäß dem nun angestrebten Brexit-Abkommen soll sich an den Rechten der EU-Bürger mindestens bis zum Ende der Übergangszeit nichts ändern. Und nicht zuletzt verpflichtet sich London, einen Betrag an die EU zu zahlen, der noch berechnet werden müsse. Hardliner sind der Ansicht, der EU nach dem Brexit nichts mehr zu schulden.

Angesichts der umfassenden Kritik aus allen Richtungen ist unklar, wie May den Brexit-Deal durch das Parlament bekommen möchte. Die Abgeordneten sollen in den kommenden Wochen darüber abstimmen. Derzeit sieht es danach aus, als werde eine deutliche Mehrheit gegen das Abkommen stimmen. Übers Wochenende könnte auch ein parteiinternes Prozedere in Gang gesetzt werden, das eine Vertrauensabstimmung über Mays Posten als Partei- und Regierungschefin nach sich ziehen würde. Einige führende Brexit-Kritiker haben sich demonstrativ dafür ausgesprochen.

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