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Filz im Fleckentarn-Ministerium

Von der Leyens Beraterverträge oder: wenn hoheitliche Aufgaben privatisiert werden

  • René Heilig
  • Lesedauer: 5 Min.

Falls die dunklen Ahnungen nicht trügen, so haben wir es mit einem Quantensprung bei der Einflussnahme auf militärische Beschaffungsprojekte zu tun. Als man zu Beginn der Bundeswehr einen Schützenpanzer brauchte, kannte jemand jemanden und plötzlich standen Hunderte HS-30 in den Hallen, die bis zu ihrer Ausmusterung nicht fahrtüchtig waren. So ähnlich lief das auch bei den »Starfightern«, die in der Bundesrepublik jahrelang »Witwenmacher« hießen, weil sie Piloten immer wieder in den Tod rissen.

Sechs Jahrzehnte später holt man sich externe Berater ins Haus, die von innen heraus bestimmte Interessen vertreten. In diesem Jahr liegt der Verteidigungsetat bei rund 38,5 Milliarden Euro. Das sind 11,2 Prozent des Bundeshaushaltes. Allein für »investive Maßnahmen« sind rund 7,4 Milliarden Euro vorgesehen. Die Summen wachsen in den kommenden Jahren kontinuierlich an. Da ist allerlei zu holen. Freilich muss niemand einbrechen oder althergebrachte schwarze Köfferchen entgegennehmen. Im Gegenteil. Man wird ja eingeladen und gebeten, Projekte zu beurteilen und zu bewerten.

Mit dem Stichtag 1. November 2018, so hat der Linksfraktionsabgeordnete Matthias Höhn erfragt, laufen im Verteidigungsministerium, in nachgeordneten Bereichen sowie sieben GmbH 283 zum Teil mehrjährige Verträge mit externen Dritten. Sie haben ein Volumen von rund 216 Millionen Euro.

Man kann sicher darüber streiten, ob Firmen wie das Bekleidungsmanagement oder die Heeresinstandsetzungslogistik, die durch allerlei Spartricks vergangener Jahre erst ausgegliedert und nun wieder unters Dach des Verteidigungsministeriums geholt wurden, wirklich so viel externen Verstand benötigen. Wirklich skandalös ist es, dass das Ministerium - nach herber Kritik durch den Bundesrechnungshof - erst einmal beginnen musste, sich selbst einen Überblick über die Vergabe von Aufträgen an externe Dienstleister zu verschaffen. Die Rechnungsprüfer hatten nur stichprobenartig nachgeschaut, sind dabei aber auf zahlreiche Verstöße gegen Vergaberichtlinien gestoßen. 44 der 56 untersuchten Aufträge habe die Bundeswehr »freihändig« vergeben, in anderen Fällen habe das Ministerium nicht nachweisen können, dass der Einsatz von Externen notwendig sei.

Das sieht ein Sprecher des Ministeriums anders. Das Parlament habe allein in der letzten Legislaturperiode für 31 Milliarden Euro neue Ausstattungen bewilligt, fünfmal so viel wie zuvor. Ohne externe Experten wäre dies nicht zu schaffen gewesen. Allein im Rüstungsbereich waren 1800 Stellen nicht besetzt, IT-Fachleute zudem Mangelware. Also musste man extern nach Hilfe suchen.

Auch wenn sie natürlich nicht in Details eingeweiht war, trägt Ursula von der Leyen die politische Verantwortung auch für dabei zutage getretene Unregelmäßigkeiten. Was die Ministerin auch nicht bestreitet. Ihre Argumentation jedoch, dass sich das Rüstungsvolumen zwischen 2013 und 2016 um das Vierfache, das Beratervolumen aber nur um 1,4-fache erhöht habe, mutet schon sehr seltsam an. Schließlich geht es doch vor allem darum, dass da unter ihren Augen ein meisterhaft geknüpftes Netzwerk entsteht, mit dessen Hilfe private Firmen mit ihren entsprechenden Interessen immer mehr Einfluss auf die Entscheidungsfindung des Verteidigungsministeriums und des für Beschaffung zuständigen BAAINBw nehmen.

Aus internen Ermittlungen des Ministeriums geht hervor, wie Externe ganze Entwicklungslinien bestimmen. Beispiel CITquadrat. Acht Millionen Euro hat das Verteidigungsministerium für Beraterleistungen zu diesem IT-Projekt ausgegeben und sich dabei unrechtmäßig aus Finanztöpfen des Bundes bedient. Der geheime Ermittlungsbericht lässt nachvollziehen, wie wer wen nachzog, weil er ihn aus früheren Projekten in anderen Konzernen kannte und wie am Schluss Haushaltsvorlagen entstanden, die von Staatssekretären mit nur kleinen Einschränkungen abgesegnet wurden.

Tragen also wirklich nur - wie behauptet - Abteilungsleiter die Schuld an den privatwirtschaftlich-ministeriellen Verquickungen? Reicht es also wirklich aus - wie von der Leyen meint - Verantwortliche unterer Ebenen besser zu schulen? Kaum, denn auch bei anderen mutmaßlich anrüchigen Projekten gaben von der Leyens Staatssekretäre grünes Licht. Statt dafür zu sorgen, dass die mit Aufträgen bedachten Firmen nicht ihrerseits jeden, den sie für nützlich halten, ins Boot holen können, ohne dass der Auftraggeber davon erfährt. Mit seltsamer Arglosigkeit erklärte Staatssekretär Gerd Hoofe den Parlamentariern: Die können machen, »was sie wollen, weil sie alleine verantwortlich sind«.

Eine Beraterfirma, die macht, was sie will, ist McKinsey. Sie hat seit 2014 mindestens zehn Millionen Euro kassiert. Die Summe ist deshalb mit Vorsicht zu genießen, weil das Unternehmen nicht nur direkter Auftragnehmer war, sondern auch über andere - ohne weitere Ausschreibung - als Subunternehmer eingespannt worden ist.

Fällt der Name McKinsey, dann kommen Fragen zur Ex-Staatssekretärin und Leyen-Vertrauten Katrin Suder. Bevor die ins Ministerium wechselte, hieß ihr Arbeitgeber McKinsey. Was freilich nichts beweist. Auch, dass sie ihr mit großem Engagement und - im Sinne von Ordnung schaffen - durchaus erfolgreich ausgeübtes Amt aus persönlichen Gründen zu Jahresbeginn aufgab, bietet manchem Anlass für skeptische Nachfragen. Umso dringender bittet die Ministerin, »nicht zu insinuieren, dass da irgendetwas anderes gewesen ist«. Katrin Suder hat die Einladung des Verteidigungsausschusses ausgeschlagen, sich in der Sondersitzung am Mittwoch zur »Berateraffäre« zu äußern.

Dass von der Leyen ihr vertraut und die beiden noch immer ab und zu telefonieren, reicht für keinen Anfangsverdacht. Doch beim Bemühen, einen roten Faden in dem Filz rund ums Verteidigungsministerium zu finden, wird an vielen Stellen gezupft. Und so eilte sich von der Leyens Staatssekretär Benedikt Zimmer, klarzustellen, dass auch bei einem Auftrag an die Firma Lead nichts zu holen sei. Ein damit befasster Herr T. und Frau Suder hätten sich nur von »Save the Children« gekannt - und McKinsey.

Für den Linken Matthias Höhn ist es gerade »im sensiblen Bereich Militär und Verteidigung« unfassbar, wie »Tür und Tor geöffnet werden«, damit Externe faktisch an Leistungsbeschreibungen für andere Externe mitwirken können oder gar bestimmen, welche weiteren Firmen Aufträge erhalten.

Kann von der Leyen da nicht für Klarheit sorgen, »führt wohl kein Weg an einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss vorbei«, meinte der Grünen-Abgeordnete Tobias Lindner bereits nach der ersten Sondersitzung des Verteidigungsausschusses. Ob er recht behält, wird sich am heutigen Mittwoch zeigen.

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