Brandstifter vom Verfassungsschutz beobachtet

Am Fahrzeug des NPD-Politikers befand sich ein Peilsender - jedoch erst nach seinem Anschlag auf eine Turnhalle

Der Verfassungsschutz hat den Brandstifter von Nauen (Havelland), den NPD-Stadtverordneten Maik Schneider, überwacht. Nach nd-Informationen gab es seit dem 29. Dezember 2015 einen Peilsender an Schneiders Fahrzeug, und seit dem 1. Januar 2016 wurde sein Telefon abgehört. Die »Märkische Allgemeine« (MAZ) hat in ihrer Donnerstagausgabe enthüllt, wie Schneider den Peilsender zufällig entdeckte, als er das defekte Rücklicht seines Fahrzeugs reparieren wollte. Zwei Wochen vor seiner Verhaftung ist das gewesen und zwei Monate, nachdem der Sender angebracht wurde - wenn alle Informationen stimmen. Im August 2015 hatte Schneider mit Komplizen die Turnhalle des Oberstufenzentrums in Nauen angezündet, bevor sie als provisorische Notunterkunft für Flüchtlinge verwendet werden konnte. Er wurde zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt. Sein Revisionsverfahren läuft.

Die Rechtsanwälte Schneiders gehen der MAZ zufolge davon aus, dass ihr Mandant bereits vor dem Brandanschlag vom Geheimdienst beobachtet wurde. Die MAZ zitierte den Verteidiger Sven-Oliver Milke, der fragt: »Fand die Brandlegung an der Turnhalle unter den Augen und Ohren des Verfassungsschutzes statt?«

Das wäre ein starkes Stück. Aber es ist auch nicht unvorstellbar, nachdem sich im NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags das Grundproblem der Geheimdienste zeigte: dass diese oft lieber ihre Quellen schützen, als Straftaten zu verhindern, wozu sie eigentlich verpflichtet sind. Darum stellt die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (LINKE) die Frage, ob der Verfassungsschutz Informationen besaß, die geeignet gewesen wären, die Serie neofaschistischer Straftaten in Nauen zu verhindern, die mit dem Brandanschlag auf die Turnhalle ihren Höhepunkt und Abschluss gefunden hatte. Johlige würde außerdem gern wissen, ob der Verfassungsschutz sein Wissen mit der Polizei geteilt und so an der Aufklärung mitgewirkt hat, oder ob er Schneider nicht unbeabsichtigt warnte und ihm damit die Gelegenheit zu Vertuschungen gab.

Denn als Schneider den Peilsender fand, konnte sich der Brandstifter schließlich seinen Reim darauf machen. Innenministeriumssprecher Ingo Decker beteuert allerdings: »Polizei und Verfassungsschutz hatten im Vorfeld der Tat keine Hinweise auf einen bevorstehenden Anschlag durch Maik Schneider und dessen Umfeld.« Zwar sei Schneider den Behörden seit 2006 als Rechtsextremist bekannt gewesen. Auch sei die NPD selbstverständlich im Visier des Verfassungsschutzes gewesen. Doch zwischen 2012 und 2017 seien nur die öffentlich zugänglichen Quellen ausgewertet worden. Wegen des zweiten NPD-Verbotsverfahrens seien damals grundsätzlich keine nachrichtendienstlichen Mittel gegen diese Partei eingesetzt und auch alle V-Leute abgeschaltet worden. Das erste Verbotsverfahren war wegen der vielen Spitzel in der NPD-Führungsriege gescheitert, und die Behörden wollten im zweiten Anlauf kein Prozessrisiko eingehen. Es nützte nichts. Es kam wieder nicht zu einem Verbot der NPD.

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