Europaweit bestes Portugal

Das Land hat den Austeritätskurs beendet, ist attraktiv für Touristen und Investitionen. Da haben Rechtspopulisten derzeit offenbar keine Chance.

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 4 Min.

Portugal, in den letzten Jahren nicht gerade im Mittelpunkt europäischen Geschehens, rückt wegen seiner Erfolge mehr ins Rampenlicht. Das Land entwickelte sich zum Tourismusmagneten, was stark zu den Erfolgen beiträgt. Gerade wurde es zum zweiten Mal in Folge mit dem World Travel Award als »weltweit bestes Reiseziel« ausgezeichnet. Gleichzeitig wurde Madeira mit dem »Tourismus-Oskar« als weltweit bestes Insel-Tourismusziel prämiert. »Das ist unglaublich«, sagte die Tourismus-Staatssekretärin Ana Mendes Godinho.

2017 sind mehr als 24 Millionen Menschen in das arme Land am westlichen Rand Europas gereist. Mendes Godinho kündigte am Rand der Preisverleihung in der Hauptstadt Lissabon an, dass für 2018 ein neuer Besucherrekord mit einer Steigerung um etwa 12 Prozent erwartet werde. »Der Vorjahresrekord wird erneut gebrochen«, sagte die Staatssekretärin. Die Diversifizierung des Angebots sei ein Schlüssel für den Erfolg, den auch die Jury neben der Gastfreundschaft gewürdigt habe. Die Tourismuseinnahmen sind 2017 gegenüber dem Vorjahr um 11,4 Prozent gestiegen und machten mit 15 Milliarden Euro etwa 10 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes aus.

Der massive Anstieg des Tourismus erklärt aber nur zu einem kleinen Teil, warum sich Portugal unter den Sozialisten, die seit drei Jahren mit Unterstützung von zwei linksradikalen Parteien regieren, vom Absturz- zum Vorzeigeland entwickelt hat. Noch im Sommer 2016 kündigte der ehemalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble an, Portugal werde ein zweites Rettungsprogramm benötigen, da die Linksregierung den absurden Sparkurs aufgekündigt hatte. Von den konservativen Vorgängern gekürzte Löhne und Renten wurden erhöht und eingeführte Steuererhöhungen zurückgenommen. Erhöht wurden Erbschaftssteuern und Vermögenssteuern. Mit der Zusatzgrundsteuer wurde eine Vermögenssteuer auf Immobilien eingeführt. Ein Freibetrag sichert aber, dass das Häuschen oder die Wohnung einfacher Leute nicht besteuert wird.

Paradies für Start-ups

Zentral bei den Steuersenkungen war die zuvor auf 23 Prozent angehobene Mehrwertsteuer im Hotel- und Gaststättengewerbe. Um den Menschen wieder den Kneipenbesuch zu ermöglichen, wurde die Steuer auf den verringerten Satz von 13 Prozent zurückgeführt. Das machte das Land auch als Tourismusziel noch attraktiver. Angelockt werden etwa Rentner aus ganz Europa, damit sie ihr Geld hier ausgeben. Ziehen sie nach Portugal um, sind sie zehn Jahre von Steuern befreit.

Mit einer Raumplanung und Strukturpolitik werden zudem Auslandsinvestitionen angezogen. Auch immer mehr spanische Firmen verlagern ihren Sitz nach Portugal. 2017 wurde deutlich mehr als eine Milliarde investiert. Es gehe hinter der Grenze alles wesentlich »einfacher und schneller«, erklären Unternehmer aus dem nordspanischen Galicien. Doch vor allem werden Investitionen aus Frankreich, Deutschland und China angezogen. Die französische Wirtschaftszeitung »Les Echos« bezeichnet das Land als »Paradies für Start-up-Unternehmen«.

Mehr Kaufkraft

Das Erfolgsrezept ist simpel. Zentral war, die Binnennachfrage, Investitionen und Konsum zu stärken. Mit Touristen, Rentnern und Investoren wird zahlungskräftiges Potenzial ins Land geholt. Zudem wurde die Kaufkraft der Bevölkerung erhöht. Es wurde denen Geld gegeben, die es dringend brauchen. Und es wurde dort geholt, wo es nicht ausgegeben wird, bei Vermögenden. Mit der Strategie sank die Arbeitslosigkeit auf nun 6,7 Prozent. Das schafft Beitragszahler für die Sozialversicherung und generiert Steuereinnahmen. Das Haushaltsdefizit wurde damit 2017 auf gut 2 Prozent gedrückt, deutlich unter die Stabilitätsgrenze von 3 und unter die Brüsseler Vorgabe von 2,4 Prozent. Inzwischen mussten auch die großen Ratingagenturen die Erfolge anerkennen, womit sich die Zinskosten für portugiesische Staatsanleihen verringern. Das Land löst frühzeitig teure Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) ab und verschafft sich weiter Spielraum für Investitionen und Sozialleistungen.

Im Vergleich zum Nachbar Spanien werden die Erfolge besonders deutlich. Das Land, wo die Austeritätspolitik noch immer wütet, riss 2017 das Defizitziel erneut. Die Arbeitslosenquote ist knapp 15 Prozent hoch und wird nur von Griechenland übertroffen. Trotz der hohen Arbeitslosigkeit gibt Spanien nur 24,2 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) für Sozialschutz aus, hat die europäische Statistikbehörde Eurostat gerade errechnet. In Portugal waren es 25,2, in Deutschland 29,4 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in Portugal mit 21 Prozent noch hoch, aber nichts gegen die spanische mit fast 35 Prozent. Manuel Sánchez ist deshalb aus Zamora ins portugiesische Miranda do Douro gezogen. »Was hilft es mir, wenn ich drüben einen höheren Mindestlohn habe, aber keine Arbeit finde.« Wegen deutlich geringerer Lebenshaltungskosten lebe er hier ohnehin besser mit dem Geld. Der junge Automechaniker schätzt auch, dass »hier alles ruhiger und freundlicher« zugeht, »weniger laut, aber effizienter«.

Für ihn bildet diese Politik die beste Brandmauer gegen rechtspopulistische Parteien. Davon hat Spanien nun drei. Gerade ist die offen faschistisch auftretende VOX, eine Abspaltung der postfaschistischen Volkspartei (PP), in Andalusien erstmals und gleich mit 11 Prozent ins Regionalparlament eingezogen. Portugal ist eines der wenigen Länder Europas, in denen es keine Ultra-Partei gibt. Am rechten Rand steht hier das »Demokratische und Soziale Zentrum - Volkspartei« (CDS-PP), etwas rechts der CDU. Der CDS-Politiker Jorge Teixeira meint, dass es in der großen Krise ab 2011 eine »letzte große Gelegenheit« für eine rechtspopulistische Bewegung gab, doch den Raum hätten die Linksradikalen besetzt.

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