Eine integrative Präsidentin

Die liberale Bürgeranwältin Zuzana Caputová gewinnt die Stichwahl in der Slowakei

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 3 Min.

Bereits kurz nach Mitternacht stand der Sieg der 45-jährigen Rechtsanwältin und Bürgerrechtlerin Zuzana Caputová außer Zweifel. Die Vertreterin der jungen Partei Progressive Slowakei (PS) konnte ihren deutlichen Vorsprung aus der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen auch in der Stichwahl verteidigen. Das bisher offizielle Wahlergebnis sieht Caputová mit 58,4 Prozent der Stimmen deutlich vor dem EU-Kommissar Maroš Šefcovic, der bei 41,6 Prozent der Wählergunst abschloss.

Die neu gewählte Präsidentin bedankte sich bei allen ihren Wählern. Dass sie bei ihrer Dankesrede auch die Sprachen der nationalen Minderheiten der Slowakei nutzte - außer in Slowakisch richtete sie ihre Worte in Ungarisch und Tschechisch sowie in der Sprache der Roma-Minderheit an die Bevölkerung - sollte ausdrücken, sie verstehe sich als eine Präsidentin der Integration.

Zuzana Caputová hat nach ihren ersten Worten erklärt, sie wolle eine Präsidentin der nationalen Einheit sein. Ihr Wahlsieg zeige, dass man auch die Werte der Konservativen und Liberalen zusammenführen könne, dass der unüberwindbare Spalt in der Gesellschaft überbrückbar sei. Konstruktive Arbeit bot sie auch der sozialdemokratisch geführten Regierung unter Peter Pellegrini an. Schon in den kommenden Tagen werden sie sich mit Vertretern der Regierung treffen, um Möglichkeiten dieser Zusammenarbeit auszuloten.

Der Sieg Caputovás war auch ein deutliches Signal gegen die Regierenden gewesen: Die Bürgerrechtlerin sowie ihre Bewegung war von den Protesten getragen, die sich nach dem Mord an dem Investigativjournalisten Ján Kuciak und dessen Lebensgefährten auf der Straße erhoben haben. Diese Proteste zogen den Rücktritt des sozialdemokratischen Regierungschefs Robert Fico sowie weiterer führender Politiker nach sich.

Der nach außen hin zwar unabhängige, jedoch von der Regierungspartei Smer-SD getragene Maroš Šefcovic war an den Skandalen um den Mord an Kuciak gescheitert. Zwar suchte Šefcovic noch in der zweiten Wahlrunde die Stimmen der rechtskonservativen Kreise zu gewinnen, doch konnte er damit nicht den Vorsprung der Bürgerkandidatin aufholen. Die Rechtspopulisten Štefan Harabin und Marian Kotleba waren im ersten Wahlgang deutlich gescheitert. Dass sich die rechten Kräfte nicht durchsetzen konnte, wird im Lande als ein Sieg demokratischer Werte betrachtet.

Maroš Šefcovic wird in den kommenden Wochen sicher nach Brüssel zurückkehren. Es wird nicht erwartet, dass er in der slowakischen Politik aktiv wird.

Die eigentliche Sensation der Wahl ist, dass erstmals in der Geschichte der Slowakischen Republik eine Frau den Präsidentensessel besetzt. 2009 war die christdemokratische Kandidatin Iveta Radicová gescheitert. Vor allem die ländlichen konservativen und christlichen Wähler konnten sich eine Präsidentin damals nicht vorstellen. Die ehemalige Regierungschefin begrüßte den Sieg Zuzana Caputovás als einen »bahnbrechenden Moment«. Es habe sich gezeigt, dass ein proeuropäischer Kurs, einhergehend mit dem Verzicht auf aggressive und vulgäre Töne im Wahlkampf, einem neuen Typus zum Durchbruch verhelfen konnte, so Radicová.

Zuzana Caputová wird das Amt am 15. Juni antreten. Bis dahin übt der parteilose Andrej Kiska noch die Präsidentschaft aus. Kiska hatte bereits im Vorfeld erklärt, für eine zweite Amtszeit nicht zur Verfügung zu stehen.

Obwohl der Staatspräsident in der Slowakei im Wesentlichen repräsentative Aufgaben hat, wird vom Amtsantritt Caputovás doch eine neue politische Farbe erwartet. Auch die von ihr vertretene Bewegung Progresivné Slovensko, bislang nicht im Parlament vertreten, dürfte politischen Aufwind erhalten. Dies könnte sich schon bei der Europawahl zeigen.

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