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Geheimhaltung bei den Genossen

Linksfraktionschef informierte nicht korrekt über Differenzen um Verfassungsschutzgesetz

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit einer Entschuldigung leitete Linksfraktionschef Ralf Christoffers am Dienstag seine Pressekonferenz im Landtag ein. In der vergangenen Woche habe er den Journalisten nicht korrekt geantwortet, als es um die Frage ging, wie die LINKE zum Entwurf eines neuen Verfassungsschutzgesetzes stehe. Er habe von zwei Gegenstimmen gesprochen, was ein Fauxpas gewesen sei, der »nicht hätte passieren dürfen«, bekannte Christoffers. Er räumte ein, eine weitere Gegenstimme »unterschlagen« zu haben. Dabei habe es sich jedoch nicht um eine bewusste Irreführung gehandelt. Diese Fehlleistung sei unabsichtlich und »aus der Situation heraus« entstanden.

Auf das Gerücht hin, er habe »Abtrünnigen« mit seinem Rücktritt gedroht, sagte Christoffers, dass dies »in dieser Form nicht richtig« sei. Es habe eine Reihe von Gesprächen auf verschiedenen Ebenen gegeben, Einzelgespräche, aber auch eine Verständigung innerhalb der Fraktion. Er gehe davon aus, dass die Linksfraktion in der kommenden Parlamentssitzung geschlossen für die Überweisung des Gesetzentwurfes in den Innenausschuss stimmen werde.

Er bleibe jedoch dabei, dass von einer Spaltung der Fraktion in der Frage des Verfassungsschutzgesetzes nicht gesprochen werden könne, setzte Christoffers hinzu. »Ich kenne meine Fraktion nicht anders, als das man diskutiert und um gemeinsame Positionen ringt.«

Die Überweisung eines Gesetzentwurfs nach der ersten Lesung in den Ausschuss ist ein notwendiger, aber kein hinreichender Schritt zu seiner schließlichen Annahme. Angenommen ist er, wenn er in der zweiten, gegebenenfalls dritten Lesung bei der Schlussabstimmung eine Mehrheit findet. Dem Vernehmen nach haben fünf Landtagsabgeordnete der Linkspartei Schwierigkeiten mit der Novelle des Verfassungsschutzgesetzes. Es heißt, Isabelle Vandré, Volkmar Schöneburg und Carsten Preuß haben Ablehnung signalisiert, und die Abgeordneten Anita Tack und Gerrit Große wollen sich enthalten. Die rot-rote Regierung hat im Landtag eine Mehrheit von drei Stimmen.

Für die SPD-Fraktion sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Björn Lüttmann, er sei optimistisch, dass die rot-rote Koalition am Ende dem Gesetz zu einer Mehrheit verhelfen werde. Lüttmann schloss definitiv aus, dass sich die SPD nach anderen Mehrheiten im Landtag umsehe. »Wir haben eine funktionierende Regierungskoalition«, sagte er.

Bei der CDU würde die SPD die fehlenden Stimmen auch nicht auftreiben können. »Wir werden eine rot-rote Koalition nicht retten, die inhaltlich ausgezehrt ist«, sagte CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben. Dem Gesetzentwurf in der heutigen Form werde die CDU nicht zustimmen.

Mit Blick auf die Skeptiker innerhalb der Linksfraktion sprach der SPD-Abgeordnete Lüttmann ausdrücklich davon, dass Erkenntnisse des NSU-Untersuchungsausschusses seiner Ansicht nach sehr wohl Eingang in den Text gefunden haben.

Was genau meinte Lüttmann da? Er erklärte, dass man künftig nicht mehr von V-Leuten sprechen werde, sondern von verdeckt ermittelnden »Informationsgebenden«. Einem allzu engen Vertrauensverhältnis zwischen diesen Leuten und den Verfassungsschutzbeamten müsse vorgebeugt werden. Gesetzlich ausgeschlossen sei für die Zukunft, dass ein Informant angeworben werde, der - wie seinerzeit der Neonazi Carsten Szczepanski alias »Piatto« - ein veritables Vorstrafenregister habe.

Am 9. Mai 1992 war Carsten Szczepanski dabei, als Neonazis den Flüchtling Steve Erenhi verprügelten und in den Scharmützelsee warfen, wo der schwer verletzte Nigerianer beinahe ertrunken wäre. Dafür musste Szczepanski ins Gefängnis. Doch fortan spitzelte er für den brandenburgischen Verfassungsschutz, wurde zu diesem Zwecke von den Beamten mit Mobiltelefonen ausgestattet und zu Rechtsrockkonzerten chauffiert. Außerdem wurde er nach seiner Haft bei der Eröffnung eines Szeneladens in Königs Wusterhausen vom Geheimdienst finanziell unterstützt. Im Sommer 2000 wurde Szczepanski vom Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« enttarnt.

Die Grünen finden die neuen Bezeichnung für die Informanten aus der Szene in Ordnung, wollen sich aber der Abgeordneten Ursula Nonnemacher zufolge »an den Inhalten orientieren«. Schwerwiegende Bedenken gegen den Gesetzentwurf seien nicht ausgeräumt, sagte Nonnemacher. Ihre Fraktion behalte sich vor, im parlamentarischen Verfahren »umfangreiche Änderungsanträge« einzubringen. Als »absolut unzureichend« kritisierte sie die neue Vorschrift, dass ein Informant nicht allein von den Zuwendungen für seine Spitzeltätigkeit leben können soll. »Andere Bundesländer sind da schon weiter.« Dort sei festgelegt, dass die Honorare in ihrer Höhe nicht geeignet sein dürfen, »in überwiegendem Maße den Lebensunterhalt zu sichern«.

Derweil nannte AfD-Fraktionschef Andreas Kalbitz die linke Abgeordnete Isabelle Vandré am Dienstag eine »Extremistin«. Sie sei Mitglied in der Roten Hilfe, einer vom Verfassungsschutz beobachteten und als linksradikal eingestuften Vereinigung. Kalbitz empörte sich über ein Schreiben des Innenministeriums, dem zufolge Mitglieder in der »Roten Hilfe« nicht per se linksradikal seien. »Na schönen Dank auch«, schimpfte Kalbitz, der bei Kundgebungen des asylfeindlichen Vereins »Zukunft Heimat« in Erscheinung tritt. Dort sind Rechtsextremisten zugegen.

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