Martin Luther würde keineswegs die NPD wählen

Neonazipartei bezichtigt Pfarrerin, in Storkow ihr Wahlplakat beschmiert zu haben - und bekommt selbst Ärger

Der Skandal ist, dass die neofaschistische NPD direkt vor dem Gemeindehaus der evangelischen Kirche Storkower Land ein Wahlplakat aufhängte, dass den Reformator Martin Luther zeigt und dazu die ihm untergeschobene Behauptung: »Ich würde NPD wählen. Ich könnte nicht anders.«

Das wurde in Storkow nicht einfach stehengelassen. Jemand hat groß auf das Plakat geschrieben: »Garantiert nicht. Buuuh«. Daraus nun versucht die NPD ihrerseits, einen Skandal zu machen. Klaus Beier, NPD-Kreistagsabgeordneter in Oder-Spree, glaubt zu wissen, wer dahintersteckt. Bereits am 28. April soll Pfarrerin Judith Kierschke auf eine Leiter gestiegen sein und das getan haben. Bekannt geworden sei dies, weil sich Kierschke von Passanten fotografieren ließ, die die Bilder verbreiteten. Die Fotos, die den Vorwurf beweisen sollen, zeigen eine blonde Frau, die an dem Laternenmast mit dem NPD-Plakat auf einer Leiter steht. Ob sie etwas auf das Plakat malt, ist dabei allerdings nicht zu sehen.

Die NPD sei gewöhnt, »dass junge, von Anti-Rechts-Initiativen aufgewiegelte Menschen unsere Wahlwerbeträger beschädigen«, poltert Beier am Montag. »Dass jedoch Geistliche selbst Hand anlegen, ist eine neue Qualität und zeigt die Verrohung der politischen Auseinandersetzung in Deutschland.« Beier hat bei der Polizei Strafanzeige gegen Kierschke erstattet. Die Pfarrerin bestätigt, dass eine Anzeige gegen sie vorliegt. Zum Vorwurf selbst will sie sich nicht äußern. Sie bekennt jedoch freimütig, dass sie sich sehr geärgert hat über solche Plakate ausgerechnet noch vor dem Gemeindehaus und vor der gegenüberliegenden Kirche. »Es ist unverschämt, dass so etwas aufgehängt wird.«

Im Schaukasten der Kirchengemeinde, das gibt Kierschke zu, hat sie auf die Plakate reagiert, indem auch sie Martin Luther etwas in den Mund legte - eine Klarstellung: »Es gibt 95 Thesen, warum ich nicht NPD wählen würde.«

Zwar werden dem Reformator antisemitische Tendenzen angekreidet, die historisch zu erklären sind. »Es ist schwierig mit Luther und den Juden, in der Tat«, sagt Pfarrerin Kierschke. »Aber Luther bezieht sich auf die Gnade und die Liebe Gottes. Das steht dem entgegen, was die NPD vertritt.«

Bleibt noch die Frage, ob es legitim ist, ein unmögliches NPD-Wahlplakat zu beschmieren? Legal ist es jedenfalls nicht. Genauso wie das Zerstören von Wahlplakaten aller Art werde auch das Beschmieren derselben als Sachbeschädigung gewertet, erläutert Norman Lenz, Vorsitzender der brandenburgischen Strafverteidiger-Vereinigung.

Nach Paragraf 303 des Strafgesetzbuches droht demjenigen, der »eine fremde Sache beschädigt oder zerstört«, im Extremfall eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren. Wer nicht vorbestraft ist, muss Rechtsanwalt Lenz zufolge aber nicht befürchten, ins Gefängnis zu kommen. Für die Beschädigung eines Wahlplakats würde es dann maximal eine Geldstrafe geben. Möglich sei aber auch eine Einstellung des Verfahrens wegen geringer Schuld.

Im vorliegenden Fall kann Lenz ohne Kenntnis aller Einzelheiten nur eine Ferndiagnose stellen. »Vorausgesetzt, dass der Tatvorwurf überhaupt zutrifft«, sagt er, »käme eine Störung des Religionsfriedens in Frage, eine Art Dauerangriff der NPD auf das Glaubensbekenntnis, gegen den sich derjenige zur Wehr setzen durfte, der auf das Plakat draufgeschrieben hat.«

Derweil schwelt noch eine weitere Auseinandersetzung um das Wahlplakat, das die NPD bereits 2017 einsetzte. Das verwendete Bild Luthers malte 1528 Lucas Cranach. Die Bildrechte liegen bei der Stiftung Luthergedenkstätten. Die Stiftung findet es »unerhört, ja geradezu abstoßend, dass die NPD Martin Luther für ihre Parteizwecke instrumentalisiert«, erklärt Pressesprecherin Nina Mütze. Rechtliche Schritte werden ihr zufolge geprüft. Eine Klage werde vorbereitet.

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