- Berlin
- Ausbildungsjahr
Unternehmen melden mehr Azubis
Die Ursachenforschung über den langsamen Anstieg der Zahlen ist noch nicht abgeschlossen
»Gute Zahlen« habe man mitgebracht, teilte der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB), Christian Amsinck, am Donnerstagmittag im Berliner Hilton Hotel freudig mit. Amsinck hat nicht zu viel versprochen: Der gemeinsam mit Unternehmensvertreter*innen vermeldete Anstieg bei Ausbildungsverträgen von 14 600 im Jahr 2017 auf 15 700 in 2018 kann sich sehen lassen.
Anlass der Bekanntmachung ist die Vorstellung der druckfrisch vom UVB herausgegebenen Broschüre »Die betriebliche Ausbildung stärken«, die Maßnahmen und Aktionen der regionalen Wirtschaft zum Auszubildendengewinn zusammenfassend dokumentiert. Die Unternehmen und Branchenverbände hätten nach langer Talfahrt deutlich mehr Aufwand in die Bewerber*innensuche gesteckt, so Amsinck. Man »fahnde« regelrecht nach Bewerber*innen - per Social-Media-Kampagnen, Praktika, Elternberatungen, Messeauftritten und etlichem mehr. Dazu kommt: Das Azubi-Entgelt ist gestiegen, duale Ansätze im Studium und in den Schulen verbreiten sich immer mehr, auch an der Modernisierung der Berufsbilder wird sichtbar eifrig gearbeitet. Generell scheint eine immer größere Zahl an Unternehmen bemüht, Auszubildenden mehr Wertschätzung entgegenzubringen und Ausbildung auf der Höhe der Zeit anzubieten.
- Die Zahl der gemeldeten betrieblichen Ausbildungsplätze in Berlin-Brandenburg ist laut Bundesagentur für Arbeit in den vergangenen zehn Jahren von 10 573 (2009) auf 15 829 in 2018 gestiegen
- Der Ausbildungsmarkt in der Hauptstadtregion gilt rechnerisch als ausgeglichen: Insgesamt kommen im Mai 2019 auf 16 203 unbesetzte Stellen 16 185 unversorgte Bewerber*innen in der Region.
- Die tariflichen Ausbildungsvergütungen in Ostdeutschland sind in den vergangenen zehn Jahren um 50 Prozent gestiegen, von 567 Euro (2008) auf 859 Euro in 2018. Die bestbezahlten Ausbildungsberufe sind die im industriellen Bereich: Mechatroniker*in (1070 Euro), Industriemechaniker*in (1044 Euro), gefolgt von kaufmännischen und medientechnologischen Berufen. ckr
Erfreut zeigt sich Amsincks Geschäftsführungskollege Alexander Schirp im Hinblick auf die über 1800 jungen Geflüchteten, die sich aktuell in Ausbildung befinden. Betriebe und Verbände scheinen also, das legen zumindest die Zahlen nahe, mehr junge Menschen zu erreichen. Es könnten dennoch weit mehr sein, findet der UVB, vor allem im Land Brandenburg - hier sind von 13 000 angebotenen Ausbildungsplätzen aktuell nur 10 000 besetzt, in Berlin kommen noch einmal 6200 angebotene und unbesetzte Stellen dazu.
Richtig aussagekräftig sind die der Bundesagentur für Arbeit zugrunde liegenden Zahlen vermutlich nicht - nicht alle offenen Stellen werden gemeldet und nicht alle potenziellen Auszubildenden lassen sich registrieren. Wolle man sich, so der UVB, mit der Gesamtsituation trotz des aktuellen »Stoßseufzers« nicht zufrieden geben und die Zahlen halten und sogar steigern, müssten Ursachen benannt werden. Vielen Auszubildenden, so Amsinck, mangele es deutlich an Mobilität - die Ausweitung des Mobilitätsticket Berlin-Brandenburg auf Azubis sei also sehr begrüßenswert. Für den häufigen Fall, dass ein Weg zur Ausbildungsstelle mitunter trotzdem mehr als eine Stunde in Anspruch und ein junger Mensch einen Umzug in Kauf nehmen muss, sollten angesichts der Wohnungskrise Angebote wie Lehrlingswohnheime wieder neu diskutiert werden, findet er.
Nicht einverstanden ist der UVB-Hauptgeschäftsführer mit dem Vorgehen der Senatsarbeitsverwaltung, die die Weitergabe von Daten registrierter Schulabgänger*innen an die Jugendberufsagenturen erschwere - aus datenschutzrechtlichen Bedenken. Die Frage, ob auch allgemeine Orientierungslosigkeit zu den Ursachen zählt, kann Amsinck zwar nicht abschließend beantworten, er appelliert aber: »Jetzt, vor den Sommerferien, ist der Zeitpunkt, sich zu bewerben, die Chancen stehen gut.«
Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Dank der Unterstützung unserer Community können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen
Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.