EuGH watscht CSU ab

Richter halten Pkw-Maut für unvereinbar mit EU-Recht

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Eigentlich wollte sie niemand haben bis auf die CSU - nun ist die geplante Pkw-Maut vom Tisch. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) urteilte am Dienstag, dass sie gegen EU-Recht verstoße. Die offiziell Infrastrukturabgabe genannte Maut stelle »in Verbindung mit der Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer, die den Haltern von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen zugutekommt, eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit« dar, urteilten die obersten Richter der EU in Luxemburg.

Die Pkw-Maut war noch ein Projekt aus der vergangenen Legislaturperiode. Union und SPD vereinbarten ihre Einführung im Koalitionsvertrag von Dezember 2013, im Juni 2015 wurden die gesetzlichen Grundlagen geschaffen. Die EU-Kommission hegte jedoch Zweifel an der Vereinbarkeit des Gesetzes mit EU-Recht und leitete ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. Nach dem sich Berlin und Brüssel einig wurden, klagte Österreich 2017 vor dem EuGH, weil es die Pkw-Maut aufgrund der Entlastung deutscher Fahrzeughalter für diskriminierend hält.

Zunächst sah es so aus, dass Deutschland das Verfahren gewinnen würde. Bundesverkehrsminister An-dreas Scheuer plante schon, die Maut im Oktober 2020 einzuführen. Noch im Februar hatte sich der zuständige EuGH-Generalanwalt in seinem Schlussantrag dafür ausgesprochen, die Klage Österreichs abzuweisen. Normalerweise folgen die Richter den Einschätzungen der Generalanwälte. Folglich sprach CSU-Mann Scheuer nun von einem »überraschenden Urteil« und »herben Rückschlag«.

Doch auch hierzulande war die Kritik an dem CSU-Projekt von Anfang an groß. Anfang 2017 kam ein vom ADAC in Auftrag gegebenes Gutachten zu dem Schluss, dass die vom Verkehrsministerium prognostizierten Mauteinnahmen von 834 Millionen Euro jährlich unrealistisch seien, und bezifferte sie auf lediglich rund 276 Millionen Euro. Berücksichtigt man noch die Betriebskosten für die Maut, wäre sie unterm Strich ein Minusgeschäft für den Fiskus geworden. Der ADAC forderte nach dem EuGH-Urteil nun den vollständigen Verzicht auf die Infrastrukturabgabe, weil ansonsten »eine finanzielle Mehrbelastung der heimischen Autofahrer« zu befürchten sei.

Die Maut »wäre zum teuren Totalflop für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler geworden«, erklärte der LINKE-Haushaltsexperte Victor Perli. »Deshalb wäre die ›Pkw-Maut für Ausländer‹ zum Einstieg in eine Maut für alle geworden. Daraus wird jetzt nichts - und das ist auch gut so.«

Auch der ökologische Verkehrsclub VCD freut sich über das Scheitern. »Die von der CSU vorangetriebene Pkw-Maut war von Anfang an ausländerfeindlich, unsozial und ökologisch fragwürdig«, erklärte der verkehrspolitischer Sprecher des VCD, Gerd Lottsiepen. »Wenn eine Maut, dann muss sie eine ökologische Lenkungswirkung haben. Für jeden Kilometer, der gefahren wird, muss gezahlt werden.« Der Plan des Bundesverkehrsministeriums sah indes für in Deutschland zugelassenen Autos eine Jahresmaut von maximal 130 Euro vor. Ausländische Fahrer sollten für eine Vignette für zehn Tage, zwei Monate oder einem Jahr zwischen 2,50 und 130 Euro zahlen.

Nun befürworteten selbst die Freien Wähler, mit denen die CSU in Bayern eine Koalition bildet, das EuGH-Urteil: »Die Pkw-Maut war von Anfang an eine Fehlkonzeption. Gut, dass sie jetzt gestoppt wurde, bevor noch mehr deutsches Steuergeld versenkt wird«, schrieb Bayerns stellvertretender Ministerpräsident und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger auf Twitter.

Grünen-Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter forderte Scheuer auf, »das Projekt Quatsch-Maut« zu beerdigen und »sich ernsthaft um eine vernünftige Verkehrspolitik« zu kümmern. »Es braucht eine echte Verkehrswende hin zu emissionsarmer Mobilität, mehr Bussen und Bahnen und mehr Radverkehr.«

Doch Scheuer will sich offenbar noch nicht ganz geschlagen gegeben. Das Urteil bedeute »keine Absage an die Nutzerfinanzierung, die in über 20 EU-Staaten gemacht wird«, sagte der Minister und berief schleunigst eine Task Force zur Bewältigung der finanziellen und organisatorischen Folgen ein. Ob er aber tatsächlich noch mal einen Anlauf versucht, wollte Scheuer nicht sagen: »Jetzt stehen rechtliche, finanzielle Fragen im Vordergrund. Danach dann die politischen Fragen.«

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