Türkei muss Yücel entschädigen

Verfassungsgericht in Ankara erklärt Untersuchungshaft des Journalisten für rechtswidrig

  • Lesedauer: 2 Min.

Erfolg für Deniz Yücel: Das Verfassungsgericht in Ankara hat die einjährige Untersuchungshaft des »Welt«-Reporters in der Türkei für rechtswidrig erklärt. Das Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit sowie das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit seien verletzt worden, hieß es in dem am Freitag im Amtsblatt veröffentlichten Urteil. Die Richter fällten die Entscheidung einstimmig.

Yücel erhalte einen Schadenersatz von 25 000 Türkischen Lira, rund 3800 Euro. Außerdem würden Gerichtskosten von umgerechnet rund 416 Euro erstattet. Eine getrennte Schadenersatzklage laufe aber noch, sagte Yücels Anwalt, Veysel Ok. Dazu stehe die Entscheidung noch aus. Auf Twitter schrieb Ok, mit dem Urteil bestätige das Verfassungsgericht, dass Yücel »nur wegen seiner journalistischen Tätigkeit strafrechtlich verfolgt wurde«.

Yücel selbst äußerte sich ebenfalls und sagte, dass das Urteil nicht für Gerechtigkeit sorge: »Dass mir und meinen Liebsten ein Jahr unseres Lebens geraubt wurde, ist mit 3800 Euro nicht wiedergutzumachen und wäre es auch nicht mit der tausendfachen Summe.«

Yücel saß zwischen Februar 2017 und Februar 2018 ohne Anklageschrift im Hochsicherheitsgefängnis Silivri westlich von Istanbul. Erst nach langem politischen Tauziehen zwischen Deutschland und der Türkei kam Yücel frei und durfte ausreisen. Gleichzeitig wurde Anklage wegen Terrorpropaganda und Volksverhetzung erhoben.

Der Prozess gegen Yücel wird in seiner Abwesenheit weitergeführt. Er durfte im Rahmen der Rechtshilfe vor einem Richter in Deutschland aussagen. Im Mai erklärte Yücel dabei, er sei während seiner Haftzeit gefoltert worden, und machte den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan dafür verantwortlich. Erdogan hatte Yücel immer wieder als Agenten beschimpft. Yücel erwähnte in seiner Aussage Schläge, Tritte, Erniedrigungen und Drohungen durch Vollzugsbeamte. Sie hätten ihn als »Vaterlandsverräter« und »deutschen Agenten« beschimpft - »Wiederholungen dessen, was der Staatspräsident über mich gesagt hatte«.

Allerdings lehnte das Verfassungsgericht in Bezug auf den Foltervorwurf einen Antrag Yücels ab. Wie aus dem Urteil über die Untersuchungshaft hervorgeht, wurde die Entscheidung bereits am 28. Mai getroffen. Die Verhandlung gegen Yücel geht am 16. Juli in der Türkei weiter. dpa/nd

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