Kaltherzige Entscheidung

Regierung Schleswig-Holsteins streicht bei der Integrationsarbeit zwölf Millionen Euro

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Für die Integrationsarbeit mit Geflüchteten erhielten die Kommunen in Schleswig-Holstein bisher 17 Millionen Euro. Künftig aber dreht die von einer Jamaika-Koalition gebildete Landesregierung den Geldhahn zu, will laut Haushaltsansatz nur noch fünf Millionen Euro bereitstellen.

Lorenz Gösta Beutin, Landessprecher der LINKEN im nördlichsten Bundesland, spricht von einer kaltherzigen Entscheidung durch Schleswig-Holsteins grüne Finanzministerin Monika Heinold und schließt sich damit der Kritik der kommunalen Spitzenverbände und des Flüchtlingsbeauftragten Stefan Schmidt an. Beutin betonte: »Mit der Kürzung um zwölf Millionen Euro zeigt die Ministerin, dass ihr die Schwarze Null wichtiger ist als Menschenwürde.« Der Bundestagsabgeordnete und Klimaexperte seiner Fraktion ergänzt, dass die CDU/Grüne/FDP-Regierung in Kiel zu sozialer Politik unfähig sei, sobald für sie das Geld knapper wird.

Der parteilose Thomas Schreitmüller, Bürgermeister des 12 500 Einwohner zählenden Ortes Barsbüttel (Kreis Stormarn) und Vorsitzender des Gemeindetages, prophezeit: »Das würde in vielen Kommunen konkreten Integrationsleistungen die Grundlage entziehen.« Stefan Schmidt ist ebenso besorgt über die Rotstiftpolitik: »Kreise, Städte und Kommunen sagen Ja zu der Aufnahme Schutzsuchender. Entsprechend müssen sie mit ausreichend Ressourcen ausgestattet sein.«

Innerhalb des nun zwei Jahre regierenden Jamaika-Bündnisses reagieren besonders viele grüne Kommunalpolitiker empört über diese haushaltspolitische Stellschraube. Zumal aus Regierungskreisen bereits kommuniziert wird, dass auch für 2021 nicht mehr als eben diese fünf Millionen Euro zur Verfügung stünden. Sven Radestock, Chef der grünen Ratsfraktion in Neumünster, wird da ganz deutlich: Er wünsche sich von der Landesregierung andere Signale. Seine Kollegen aus den kreisfreien Städten Kiel und Flensburg schließen sich seiner Kritik an.

Spyridon Aslanidis, Vorsitzender des Lübecker Forums für Migrantinnen und Migranten, ist entsetzt. Die Pläne aus dem Kieler Finanzministerium bezeichnet er als »mittelgroße Katastrophe«. Und es brodelt bei vielen ehrenamtlich in Kommunen aktiven Flüchtlingshelfern, die wissen: Sollten die Kürzungspläne umgesetzt werden, könnten viele dringliche Angebote dem Sparzwang zum Opfer fallen und Integrationsbemühungen auf halber Strecke ausgebremst werden. Wie sensibel das Thema vor Ort verfolgt wird, zeigt eine Aktion aus dem Vorjahr. Das Land hatte 2016 als Zeichen der Wertschätzung Ehrennadeln an Flüchtlingshelfer verliehen. Im Herbst gaben 90 Geehrte aus mehreren Gemeinden ihre Auszeichnungen öffentlichkeitswirksam an Innenstaatssekretär Torsten Geerdts (CDU) zurück, um gegen eine inhumane Abschiebepolitik zu protestieren.

Erstaunlich ist, dass von der sonst so wortgewandten SPD bisher gar keine Äußerung zu dem Thema kam - weder aus der Fraktion noch von der neuen Landesvorsitzenden Serpil Midyatli. Vielleicht ist das aber auch dem Umstand geschuldet, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) den Ländern weniger Mittel für Integrationsarbeit zur Verfügung stellen will. Und peinlich für die Grünen im Norden: Ausgerechnet von der AfD bekommt Ministerin Heinold den meisten Applaus.

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