Wenn die LINKE die Verhältnisse umstürzen könnte

Die Spitzenkandidaten Kathrin Dannenberg und Sebastian Walter legen dar, was sie ändern, wenn sie nach der Wahl zu bestimmen haben

»Wir streben keine Koalition mit der CDU an«, betont am Mittwochmorgen Sebastian Walter. Auf mehrmalige Nachfrage, ob er eine solche Koalition aber auch nicht völlig ausschließe, wiederholt der LINKE-Spitzenkandidat bei einem Termin vor dem Landtag in Potsdam immer wieder nur diesen einen Satz.

Am 1. September ist in Brandenburg Landtagswahl. Wenn die CDU der AfD auch nur den kleinen Finger reiche, »dann kann sie für uns kein Partner sein«, hat Walter schon lange klargestellt.

Am Dienstagabend hatte CDU-Spitzenkandidat Ingo Senftleben bekräftigt: »Wir werden nicht mit der AfD über eine Koalition reden.« Es hat Walter gefreut, das zu hören. Jedoch: »Das Problem bei der CDU ist, dass ich Herrn Senftleben tatsächlich glaube, aber bei anderen CDU-Politikern bin ich mir da nicht so sicher.« Die CDU sei nach rechts nicht ganz dicht.

Walters Co-Spitzenkandidatin Kathrin Dannenberg erinnert, dass die CDU Senftleben mit lediglich 60 Prozent der Stimmen für die Landtagswahl nominiert habe. Ob er seine Positionen in seiner Partei durchsetzen könne, sei offen, heißt es. Das gelte auch für Senftlebens Idee, durch eine Koalition mit Grünen und Linkspartei zum neuen Ministerpräsidenten gewählt zu werden. Denn der CDU scheint diese Idee ganz und gar nicht zu gefallen. Beschlüsse der CDU auf sprechen auch gegen so ein solches noch nie dagewesenes Bündnis.

Was die AfD betrifft, hat Senftleben am Dienstagabend nichts Neues gesagt. Reden wolle Senftleben im Falle seines Wahlsiegs definitiv mit der AfD, nur nicht über eine gemeinsame Koalition, bestätigt sein Pressesprecher am Mittwoch. Genau das aber ist Sebastian Walter schon zu viel, weil es die AfD unnötig aufwerten würde. »Welchen Grund gibt es, mit der AfD zu reden, wenn er nicht mit ihr koalieren will?« Walter meint: »Keinen!« Also alles wie gehabt.

Halten wir fest - Walter sagt es am Mittwochmorgen extra noch einmal in die Kameras und Mikrofone der Journalisten, diktiert es für die Notizblöcke - die LINKE wünscht sich eine rot-rot-grüne Koalition. Wer eine solche wolle, der müsse die LINKE wählen, argumentiert der Spitzenkandidat. Denn die Grünen wären genauso auch bereit, etwas mit der CDU zu machen und die SPD wahrscheinlich ebenso.

Und was würde die LINKE tun, wenn es allein nach ihr ginge? Das hat die LINKE auf 99 Seiten in ihrem Wahlprogramm fein säuberlich aufgeschrieben. Jeder kann es nachlesen. Das Papier wurde bereits im Juni von einem Landesparteitag beschlossen. Das ist auch nichts Neues.

Die Spitzenkandidaten präsentierten aber am Mittwochmorgen jene Wahlversprechen, deren Erfüllung sie sofort, unverzüglich in Angriff nehmen würden. Es sind die Dinge, auf die sie in Koalitionsverhandlungen ganz besonderen Wert legen würden.

Da sind einmal die Kita- und Schulhortgebühren, die nicht stufenweise, sondern so schnell wie möglich gleich komplett wegfallen sollen. »Bildung hat in diesem Land kostenlos zu sein und das für alle Kinder, alle Familien«, begründet Kathrin Dannenberg das Ansinnen. Auch sollen in den kommenden fünf Jahren unbedingt 50 000 Sozialwohnungen gebaut werden - jeweils 10 000 pro Jahr. Außerdem möchte die LINKE Brandenburg, was der rot-rot-grüne Berliner Senat für die Hauptstadt plant - einen Mietendeckel.

Dannenberg denkt auch an die 130 000 Brandenburger, die pflegebedürftig sind. Es herrscht ein Pflegenotstand nicht zuletzt deshalb, weil die Fachkräfte unterbezahlt sind. Lediglich 10,50 Euro beträgt der Pflege-Mindestlohn Ost. Der Tariflohn für eine Fachkraft beginnt bei 14,98 die Stunde. Die LINKE will den Tarifvertrag in Brandenburg für allgemeinverbindlich erklären lassen. Bisher zahlen nur vier kleine Pflegeeinrichtungen im Bundesland Tarif - und die Wohlfahrtsorganisation Volkssolidarität stößt ab Januar 2020 dazu. Um einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag käme aber niemand herum.

Das Problem höherer Löhne: Die Eigenanteile der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen könnten steigen. Das jedoch möchte die LINKE ausdrücklich nicht. Dannenberg unterstreicht: »Wir wollen eine Pflege-Vollversicherung.« Aber da endet ihre Macht. Das ist Bundessache.

Bundessache, sogar Bundeseigentum, ist die Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft (BVVG). Was sie tut, geht die ostdeutschen Länder jedoch sehr viel an. Über 36 300 Hektar Acker in Brandenburg verfüge die BVVG noch. »Wir privatisieren ehemals volkseigene Flächen«, sage die Verwertungsgesellschaft über sich selbst, erzählt Walter. »Das beschreibt den Skandal ganz gut«, findet er. Er verlangt, dass der Bund die Flächen kostenlos an das Land abgibt. Denn es bestehe die Gefahr, dass Agrarkonzerne und Fonds die Felder aufkaufen und auf eine enorme Wertsteigerung spekulieren, die durch eine Umwidmung zu Bauland gegeben wäre.

Den bundesweit geltenden gesetzlichen Mindestlohn hält Kathrin Dannenberg für viel zu gering. »9,19 Euro sind Armut per Gesetz«, sagt sie. Doch auf Landesebene lässt sich dagegen wenig tun. Das Wenige aber möchte die LINKE unternehmen. Sie verspricht sich etwas davon, 13 Euro die Stunde als Vergabe-Mindestlohn festzulegen. So viel Lohn müssten Firmen ihren Beschäftigten dann mindestens bezahlen, wenn sie im Land Brandenburg öffentliche Aufträge bekommen wollen.

Mit dem Slogan »Hartz IV ist Armut per Gesetz« hatten die märkischen Sozialisten bei der Landtagswahl 2004 ihr Rekordergebnis von 28 Prozent erzielt. Jetzt verheißt ihnen die jüngste Forsa-Umfrage 14 Prozent. Den Sozialisten weht ein starker Gegenwind ins Gesicht - am Mittwochmorgen neben dem Fortunaportal des Landtags so stark, dass eine Böe das hinter Dannenberg und Walter aufgestellte Transparent umwirft. So schnell lassen sich die herrschenden Verhältnisse aber nicht umstürzen.

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