Grüne Luftnummer

In den sozialen Netzwerken sorgte die vermeintliche Forderung nach einem Verbot von Luftballons für Empörung. Nur: Doch die Geschichte stimmt nicht.

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Grünen, sie werden ihr Image als Verbotspartei einfach nicht los. Seit der Debatte im Jahr 2013 um einen fleischfreien Tag in der Woche in öffentlichen Kantinen ist die Partei extrem vorsichtig, auch nur die kleinste Einschränkung des Alltagslebens anzumahnen. Egal, ob ein Vorschlag tatsächlich vernünftig ist oder nicht, der Fluch des »Veggiedays« verfolgt die Grünen. Dabei werden der Partei sogar Forderungen angedichtet, die so absurd klingen, dass Journalisten eigentlich auf die Idee kommen müssten, den Wahrheitsgehalt zu prüfen, bevor sie eine Meldung weiterverbreiten. Doch Empörungstexte über die angeblichen Spiel- und Spaßverderber klicken gut.

Am Donnerstag erlebte die niedersächsische Grünen-Vorsitzende Anne Kura, was passiert, wenn ein Zitat aus dem Kontext gerissen wird und daraufhin eine Welle der Empörung losbricht, die sich trotz kurz darauf erfolgter Klarstellung nicht mehr eindämmen lässt.

Ausgangspunkt war eine Donnerstagnacht von der »Neuen Osnabrücker Zeitung« (NOZ) verbreitete Meldung mit der Überschrift »Niedersachsens Grüne für Luftballonverbot«. Dabei ist die Geschichte selbst eher unspektakulär. Kura war von der »NOZ« gefragt worden, was sie von einem Beschluss der nordrhein-westfälischen Stadt Gütersloh halte, die künftig aus Umweltschutzgründen bei ihren Veranstaltungen auf fliegende, mit Gas gefüllte Luftballons verzichten will. Von der Regelung sind weder private Events noch Luftballons, die nicht in den Himmel steigen, betroffen.

Kura findet die Idee gut, die »NOZ« zitiert sie mit den Worten: »Steigen gelassene Luftballons landen in den allermeisten Fällen in der Natur. Vögel und andere Tiere fressen die weichen Ballonreste und verhungern dann mit vollem Magen. Auch Ballons aus Naturlatex sind deswegen keine wirkliche Alternative.« Alles richtig, jeder Natur- und Vogelschützer würde die Ausführungen der Politikerin bestätigen. Fatalerweise beginnt die Meldung, die die NOZ über die Nachrichtenagenturen auch an andere Medien weiterverbreitete, mit der Behauptung: »Niedersachsens Grüne sprechen sich für ein Luftballonverbot aus.« Das hat Kura zwar nicht gefordert, die falsche Einordnung durch die NOZ führte aber dazu, dass erst die Deutsche Presseagentur (dpa) und danach Dutzende Medien die Deutung ungeprüft übernahmen, die Grünen würden ein Verbot von Luftballons fordern. Auf die Idee, bei den Grünen anzurufen, kam zunächst niemand bei »Bild«, »Welt«, »Berliner Morgenpost« und bei den vielen Regionalmedien.

»nd« fragte bei den niedersächsischen Grünen nach. Ein Sprecher bestätigte: Die Forderung bezieht sich nur auf mit Gas gefüllte Ballons bei öffentlichen Veranstaltungen.

Irgendwann fiel das auch anderen Journalisten auf. Die dpa verschickte gegen 11 Uhr eine Korrektur, doch da hatte sich die Meldung über den angeblich neuestes Vorschlag der angeblichen Verbotspartei längst in den sozialen Netzwerken verselbstständigt.

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