Wer bauen will und Wert auf Individualität legt, schließt mit einem Architekten einen Vertrag, zumeist so, dass der Architekt den Vollauftrag vom Entwurf bis zur Bauüberwachung erhält. Was aber, wenn der Bauherr den Architekten loswerden will? Dabei gilt: Der Bauherr kann dem Architekten jeder Zeit kündigen - ohne Angabe von Gründen. Daran ist nicht zu rütteln, auch wenn noch ältere Vertragsmuster im Umlauf sind, in denen dieses Recht ausgeschlossen wird. In diesen Verträgen heißt es dann, der Bauherr könne nur »aus wichtigem Grund« kündigen. Der Bundesgerichtshof hat diese Klausel als unwirksam verworfen (Az. VII ZR 237/98). Das Problem ist ein anderes: Kündigt der Bauherr willkürlich, kann es teuer werden. »Dem Architekten wird als Ausgleich für dieses so genannte freie Kündigungsrecht des Bauherrn der Anspruch auf die vereinbarte Vergütung belassen, falls eine Kündigung ausgesprochen wird«, informiert die Verbraucherzentrale NRW. Dieser Anspruch fußt auf Paragraf 649 des BGB. »Der Bauherr muss also im Zweifelsfall eine nicht mehr benötigte Architektenleistung zum großen Teil bezahlen, obwohl sie gar nicht mehr erbracht werden muss«, so die Verbraucherzentrale. Der Architekt muss sich auf den entgangenen Gewinn aber das anrechnen lassen, was er durch die Kündigung spart oder in der nun frei werdenden Zeit verdient oder vorsätzlich zu verdienen unterlässt. Kündigt der Bauherr ohne wichtigen Grund nach der Vergabe der Gewerke, hat er die noch vereinbarte Baubetreuung zu bezahlen. Die exakten Summen werden über die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) berechnet. Weil der »entgangene Gewinn« schwer zu beziffern ist, enthalten viele Verträge Klauseln, wonach der Architekt noch 60 Prozent von der Restvertragssumme erhalten soll. Laut BGH sind solche Klauseln nur erlaubt, wenn auch abweichende Berechnungen zugelassen werden (Az. VII ZR 250/94). Somit läuft alles auf die Frage hinaus, ob der Architekt die Kündigung zu vertreten hat und ob ein einfacher oder wichtiger Kündigungsgrund vorliegt. Hat der Bauherr einen wichtigen Grund zur Kündigung, der in der Person oder Leistung des Architekten begründet liegt, muss er ihn nicht auszahlen. Selten aber sind die Fälle eindeutig. Ein wichtiger Grund liegt vor, »wenn Dinge vorgekommen sind, die eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für die eine oder andere Seite unzumutbar machen«, so die Autoren Michael Hölting und Ines Gaedtke in ihrem Ratgeber »Immobilienrecht«. So könne der Bauherr etwa kündigen, »wenn der Architekt hat erkennen lassen, dass er sich nicht mit der gebotenen Sorgfalt mit dem Bau beschäftigt hat, zum Beispiel weil er falsche Auskünfte über die Bebaubarkeit des Grundstücks erteilt oder es versäumt hat, rechtzeitig eine Bauvoranfrage zu stellen«. Auch Planungsfehler rechtfertigen Kündigungen: von der fehlerhaften Isolierung bis zur Auswahl ungeeigneter Baustoffe. Wird das Budget knapp, kommt schon mal das Thema Barzahlung ins Spiel. Das kann für beide Seiten ins Auge gehen. »Der Architekt ist berufsrechtlich gehalten, seinen Beruf gewissenhaft und unter Beachtung des Rechts auszuüben«, so Christof Rose, Pressesprecher Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Dem widerspreche es, dem Bauherrn Schwarzarbeit vorzuschlagen. Häufiger jedoch gehe dieses Ansinnen vom Bauherrn aus. Hierin werde in der Rechtsprechung ein wichtiger Grund zur Kündigung durch den Architekten gesehen. Auch wenn der Architekt von Baufirmen nachweislich Provisionen oder Geschenke annimmt, begründet das die »rote Karte«. Oft hat eine Kündigung ganz andere Gründe: Finanzierungsprobleme, ein Jobwechsel des Bauherrn oder eine Scheidung machen das Bauvorhaben hinfällig. Der Bauherr sollte dann auf eine Aufhebung des Vertrages drängen. Die Verbraucherzentrale NRW rät genau festzulegen, »zu welchem Zeitpunkt die Vertragsaufhebung wirksam werden soll, was hinsichtlich der Vergütungs- und Gewährleistungsansprüche gelten soll und welche sonstigen nachvertraglichen Pflichten bestehen«. Wer eine teure Kündigung vermeiden will, sollte den Architekten nur stufenweise beauftragen, statt sofort alle Leistungsphasen zu vereinbaren. Will hingegen der Architekt den Bauherrn loswerden, hat er es nicht so leicht. Wurden keine anderslautenden Vereinbarungen getroffen, hat er kein allgemeines Kündigungsrecht. Ein Kündigungsgrund liegt vor, wenn der Bauherr seine Pflichten verletzt, am Bauvorhaben mitzuwirken. Beispiel: Der Bauherr weigert sich, wichtige Unterlagen herauszugeben, oder er zahlt nicht. In den meisten Fällen muss der Kündigung aber eine Abmahnung oder das erfolglose Verstreichen einer gesetzten Frist vorausgehen. Können Bauherr und Architekt ihren Streit nicht lösen, kann bei der Architektenkammer ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren begonnen werden. Ein unabhängiges Sachverständigengremium schlägt dann einen Vergleich vor. Das Verfahren ist freiwillig. Die Gebühren dafür richten sich nach dem Streitwert. KAI ALTHOETMAR Literatur: Vbz NRW »Planen und bauen mit dem Architekten«, 194 Seiten, 9,80 Euro Helmut Aschenbrenner/Ulrike Gantert: »101 Fallen auf dem Weg zur eigenen Immobilie«, Haufe Verlag, 178 Seiten, 16,80 Euro Michael Hölting/Ines Gaedtke: WISO Immobilienrecht, Redline Wirtschaft bei Ueberreuter, 304 Seiten, 15,90 Euro
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