Polio-Virus-Typ ausgerottet

In Deutschland sind laut WHO-Maßstab die Impfraten zu niedrig

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hätte Kinderlähmung (Polymyelitis) gerne schon 2016 auf die Liste der weltweit ausgerotteten Krankheiten gesetzt. Das gelang jedoch bis einschließlich Donnerstag nur für zwei der drei Virentypen, die wild zirkulieren. Typ 2 wurde erst jetzt so eingeordnet. Krieg und Krisen senken die Wahrscheinlichkeit, auch den letzten Virustyp bald endgültig auszurotten. Allein in Pakistan wurden nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) bis Anfang Oktober 72 neue Polio-Fälle gemeldet - mehr als in den vergangenen drei Jahren zusammen.

Ältere Semester werden sich noch an die Polio-Schluckimpfung erinnern, auch an Menschen, die an Kinderlähmung erkrankten. In eher seltenen Fällen blieben die Lähmungen, die sich in schlaffer Muskulatur an Beinen oder Armen zeigten, bestehen. In der Folge führte das zu Gelenkfehlstellungen, einseitig verkürzten Extremitäten oder einer verschobenen Wirbelsäule.

Die Ansteckung mit den Polio-Viren ist in Deutschland wie in Westeuropa selten geworden, weil sie häufig über verschmutzte Gewässer erfolgte, in die menschliche Exkremente gelangten. Die Viren vermehren sich nur im Magen-Darm-Trakt des Menschen. Er ist der einzige natürliche Wirt. Weil aber die Schrecken der Kinderlähmung hierzulande fast in Vergessenheit geraten sind, wird auch immer weniger gegen diese Krankheit geimpft. Wenig ist relativ: die Impfquote gegen Kinderlähmung lag 2017 beim Schulstart bei 92,9 Prozent, wie das Robert-Koch-Institut zum Welt-Polio-Tag am 24. Oktober mitteilte. Nach WHO-Empfehlungen sollte die Quote jedoch bei mindestens 95 Prozent liegen.

Die letzte Ansteckung erfolgte in Deutschland 1990, die letzten eingeschleppten Infektionen wurden 1992 bemerkt. Die Zahl der nicht geschützten Kinder wächst bei leicht sinkender Impfquote langsam, aber stetig. Sieben Prozent nicht geimpfte Kinder, so rechnete das RKI vor, sind in absoluten Zahlen 50 000 - pro Jahrgang. Das Risiko, dass Viren wieder eingeschleppt werden, besteht jedoch weiter.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal