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Voll verzuckert

Der Dokumentarfilm »2040 - Wir retten die Welt« stellt Methoden zur Reduktion der Treibhausgasemissionen vor

  • Jörn Schulz
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn der von den Solarzellen auf dem eigenen Dach produzierte Strom nicht ausreicht, kann man den Nachbarn anzapfen - gegen Bezahlung allerdings. Ein »microgrid« (Inselnetz) schließt die lokalen Energieproduzenten zusammen und macht sie unabhängig von einem zentralen Versorger.

Die etwa 800 000 Haushalte in Kalifornien, denen der Konzern PG&E im Oktober den Strom abstellte, weil die Gefahr bestand, dass die maroden Leitungen durch Funkenflug weitere Waldbrände verursachen, wären wohl dankbar gewesen für eine so moderne und resistente Infrastruktur, wie sie Millionen Menschen in Bangladesch haben.

Ein auf Sonnenenergie basierendes »microgrid« in Bangladesch gehört zu den Projekten des Klimaschutzes, die Damon Gameau in »2040 - Wir retten die Welt« vorstellt. Alle basieren auf bereits verfügbaren Technologien zur Reduktion von Emissionen oder zur Rückholung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Gameau predigt nicht individuellen Konsumverzicht oder »Zurück zur Natur« als Lösung, sondern propagiert sogar eine Methode des Geoengineerings: Seegrasplantagen können verwüstete Meeresregionen rekultivieren, der Atmosphäre Kohlendioxid entziehen und zudem noch etwas Essbares produzieren. Zweifellos eine gute Idee, ebenso wie die Elektrifizierung des Verkehrs oder eine Mischnutzung in der Landwirtschaft, die der Bodendegradierung entgegenwirkt. Dass es hier und da Probleme geben, die derzeit propagierte, recht ressourcenaufwendige Form der Elektromobilität etwa ein Irrweg sein könnte, übergeht Gameau jedoch.

Mit dem Mainstream der Klimabewegung teilt der Dokumentarfilmer zudem den Unwillen, sich mit Besitz- und Machtverhältnissen zu beschäftigen. Bangladesch plant den Bau von 13 großen Kohlekraftwerken, obwohl das Land von den zu erwartenden Überschwemmungen mit am stärksten betroffen sein wird.

»2040« ist stilistisch der Gegenpol zu den morbiden Inszenierungen von Extinction Rebellion mit Kunstblut und Die-Ins. Gameau wirbt für seine Projekte mit dem dauerlächelnden Optimismus eines evangelikalen Fernsehpredigers und den Methoden des Werbeclips. Schöne Zukunftsperspektiven werden dem desaströsen Ist-Zustand visuell entgegengestellt, digitale Tricks veranschaulichen die Modelle.

Das ist sehr professionell gemacht, inklusive eingängiger Musik. Unvermeidlich ist da wohl auch der Auftritt von Kindern, die etwas über ihre Zukunftsvorstellungen erzählen - Vorstellungen, denen man oft zu deutlich anmerkt, dass sie das Ergebnis pädagogischer Einwirkung sind. Gameau, der 2014 »Voll verzuckert« über die Tricks der Nahrungsmittelindustrie präsentierte, hat einen sehr süßlichen Film gemacht.

Muss das sein? Man sollte die Frage ernst nehmen, denn ein hoher Kitschfaktor mag ein akzeptabler Preis für die Rettung zwar nicht der Welt, aber wohl doch der Zivilisation sein. Luisa Neubauer, eine der Sprecherinnen der Fridays for Future-Bewegung, lobt den »optimistischem Realismus« Gameaus, die Lehrergewerkschaft GEW sieht den Film bereits »für den Einsatz in höheren Klassen« vor.

Aber so einfach lassen sich Form und Inhalt eben nicht trennen. »2040« konstituiert ein diffuses »Wir«, eine Koalition der Willigen, doch was zur Durchsetzung technisch möglicher Lösungen getan werden müsste, wird gar nicht erst thematisiert. Der Klimaschutz als Wille und Vorstellung - wenn es ästhetisch und politisch dabei bleibt, dürfte das Jahr 2040 enttäuschend ausfallen.

»2040 - Wir retten die Welt«. Dokumentarfilm, Regie: Damon Gameau, Australien 2019, 92 Min.

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