Annäherung an die Linke

CDU-Politiker zeigen sich in Thüringen offen für eine Zusammenarbeit mit den Sozialisten

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 4 Min.

In der anhaltenden Diskussion um einen Ausweg aus der politischen Krise in Thüringen bewegt sich die Landes-CDU nun doch wieder auf die Linkspartei zu - mit möglicherweise weitreichenden Folgen für die Bundes-CDU und die übrigen Landesverbände der Partei.

Zwar erklärte die ehemalige Thüringer Ministerpräsidentin und CDU-Politikerin Christine Lieberknecht am Mittwoch in Erfurt, sie stehe anders als zunächst angekündigt nicht als mögliche Übergangsministerpräsidentin zur Verfügung. Gleichzeitig sprach sie sich aber gegenüber mehreren Medien auch offen für eine Koalition zwischen der CDU und den Linken im Freistaat aus.

Lieberknecht sagte der Zeitung »Freies Wort«: Um politische Stabilität in Thüringen zu erreichen, müsse für eine »verlässliche parlamentarische Regierungsmehrheit« gesorgt werden. »Eine solche Mehrheit ist verlässlich nur zwischen CDU und Linke möglich.« Ob man diese Zusammenarbeit nun »Projektregierung« oder »Koalition« nenne, sei nicht entscheidend. Eine Zusammenarbeit mit der AfD hingegen »schließe ich aus«, sagte Lieberknecht der Zeitung.

Thüringens Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hatte am Montagabend vorgeschlagen, Lieberknecht zur Übergangsministerpräsidentin zu machen. Das am Dienstag breit diskutierte Angebot koppelten er und seine Partei an die Bedingung, dass es in Thüringen schnell zu Neuwahlen kommt. Dazu solle die Selbstauflösung des Landtages mit der Wahl Lieberknechts als Übergangsministerpräsidentin verbunden werden. Nach den Neuwahlen bekundete Ramelow die Bereitschaft, sich erneut zum Ministerpräsidenten wählen zu lassen.

Dass sie nicht als Übergangsministerpräsidentin arbeiten will, begründete Lieberknecht damit, dass keine Einigung zwischen Rot-Rot-Grün und der CDU darüber absehbar ist, wie lange eine solche Übergangsregierung im Amt bleiben soll. Linke, SPD und Grüne drängen auf baldige Neuwahlen. Die Thüringer Linke-Chefin Susanne Hennig-Wellsow hatte am Dienstag Neuwahlen Ende Mai für realistisch erklärt. Die CDU dagegen will Neuwahlen so lange wie möglich hinauszögern, sollten sie sich nicht noch irgendwie gänzlich vermeiden lassen. Angesichts aktueller Umfragen muss die Union fürchten, bei einer baldigen Neuwahl des Parlaments noch einmal viele ihrer derzeit 21 Mandate zu verlieren. Schon die jüngste Landtagswahl bedeutete für die CDU eine herbe Niederlage, sie hatte etwa zwölf Prozentpunkte gegenüber der Landtagswahl 2014 verloren.

Auch Thüringens Noch-CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzender Mike Mohring hat nun die Aussagen Lieberknechts bezüglich einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei unterstützt. Er sagte, dass er sich in den Aussagen bestätigt fühle, die er schon unmittelbar nach der Thüringer Landtagswahl Ende Oktober gemacht hatte. Auf die Frage, ob die CDU mit der Linkspartei in eine Regierung gehen würde, hatte er damals im ARD-Morgenmagazin erklärt: »Wir sind bereit für so eine Verantwortung, müssen zunächst ausloten, was heißt das für Thüringen. Mir sind stabile Verhältnisse wichtiger für das Land, als dass es nur um parteipolitische Interessen geht.« Nun erklärte Mohring, vielleicht habe er diese Aussagen damals am falschen Tag gemacht. Aber noch immer stehe er aber inhaltlich zu seinen Worten von damals. Deshalb teile er die Auffassung Lieberknechts.

Sie habe die Lage im Land und was daraus folgen müsse, »klug und richtig zusammengefasst«, sagte Mohring am Mittwoch. Der Unvereinbarkeitsbeschluss der Bundes-CDU, der eine Zusammenarbeit mit Linkspartei und der AfD verbietet, müsse zwar nicht überarbeitet werden. Der sei grundsätzlich richtig. Er müsse aber »interpretiert« werden und zwar »vor Ort«, sagte Mohring, in jedem einzelnen Bundesland. »Es gibt auch keine ostdeutsche Antwort darauf.«

Einen von seinen innerparteilichen Gegnern angekündigten Misstrauensantrag in der CDU-Landtagsfraktion hat Mohring unterdessen offenbar erfolgreich verhindert. Dieser Antrag sei nicht gestellt worden, sagte Mohring nach einer Fraktionssitzung. Dafür solle es aber nun bereits Anfang März und nicht erst im Mai vorgezogene Neuwahlen des Vorstandes der CDU-Landtagsfraktion geben. Mohring hat bereits angekündigt, nicht erneut als Fraktionsvorsitzender kandidieren zu wollen. Auch den Parteivorsitz in Thüringen will er niederlegen.

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