Angst erzeugen und bewältigen

Netzwoche über die Angst vor Corona in den sozialen Netzwerken

  • Fabian Hillebrand
  • Lesedauer: 2 Min.

Es ist bestimmt kein Zufall, dass sich das Internet und Krankheiten einen gemeinsamen Wortschatz teilen: Schneller als ein viraler Erreger in einer globalisierten Welt verbreiten sich nur falsche Informationen im Netz. »Wir befinden uns am Beginn einer Corona-Epidemie«, so bewertet Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die aktuelle Lage. Ein Patient in Nordrhein-Westfalen schwebt in Lebensgefahr, wenige weitere sind mit dem Virus infiziert. Viel mehr Menschen sind aber bereits falschen Informationen über die Pandemie ausgesetzt. Gerade verbreiteten sich online Verschwörungstheorien und Panik. Fieber kann man messen - den Schaden, den solche Fehlinformationen anrichten, nicht.

Das Coronavirus sei in staatlichen US-Laboren gezüchtet worden oder eine Folge chinesischer Waffentests, eine Erfindung der »Impfindustrie« oder von Bill Gates in die Welt gesetzt worden.

Die jüngsten Masernausbrüche in Ländern, in denen die Krankheit als ausgerottet galt, die dann aber zu Zentren von Anti-Impf-Verschwörungstheorien wurden, sind ein Beispiel dafür, wie Desinformation konkrete negative Auswirkungen haben kann.

Eine entscheidende Rolle bei der rasanten Verbreitung solcher falschen Informationen und Idiotien spielen die Konzerne: Facebook, Twitter und YouTube gehen seit jeher nur halbherzig gegen Falschmeldungen auf ihren Plattformen vor. Zu groß und lukrativ ist wohl der Traffic, der ihnen sonst verloren gehen würde.

Hinzu kommt: Mit der Seuche wird Politik gemacht. Auf der einen Seite lassen sich sich Dutzende Beiträge und Petitionen in den sozialen Netzwerken finden, die eine Schließung von Grenzen fordern. Die andere Seite beschimpft all jene, die ihre Sorgen äußern, als Defätisten. Panikmache und Abwiegelei, Angsterzeugung und Angstbewältigung - zwischen diesen beiden Polen gibt es in den sozialen Medien keinen Raum für Uneindeutigkeit und ehrliche Sorge.

Schimpfen auf das Internet reicht aber wie immer nicht. Auch klassische Nachrichtenmedien sind von einer regelrechten Lust am Virus befallen und informieren in VERSALIEN und im Liveticker über jede kleinste Neuigkeit. Vielleicht verbreitete sich auch deshalb die Falschmeldung von einem Verstorbenen in Kaiserslautern so rasant.

Dabei ist das Phänomen altbekannt: Als 1630 in Milano die Pest wütete, wurde die Falschmeldung in die Welt gesetzt, »gewisse Menschen« bestrichen die Häuser absichtlich mit Pestbakterien - und die Menschen zogen aus, die vermeintlich Schuldigen zu jagen. Den berühmtesten Fall dieses Massenwahns beschrieb Alessandro Manzoni in seinem Roman »Die Brautleute«: Der Prozess gegen fünf »Pestschmierer« mündete in Folter.

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