Wenn der Bahnhof zur Post wird

An Hamburger Bahnstationen stehen künftig »intelligente« Packstationen

  • Folke Havekost
  • Lesedauer: 3 Min.

Für die Umwelt war es am Montag in Hamburg-Barmbek nicht fünf nach Zwölf, sondern sieben nach Zwölf. Um 12:07 Uhr wurde im Nahverkehrsbahnhof des alten Arbeiterstadtteils die erste »Hamburg-Box« eingeweiht - ein intelligentes Schließfachsystem, das der ökologisch zweifelhaften und oft komplizierten Haustürzustellung von Paketen den Rang ablaufen soll.

»Bahnhöfe sind zentrale Orte im Leben der Menschen«, sagte Sven Hantel von DB Station & Service, als die grün-weiße Box mit 101 Fächern in drei verschiedenen Abmessungen enthüllt war: »Es geht auf einem Bahnhof nicht mehr nur darum, schnell von A nach B zu kommen. Dieses Angebot wird hoffentlich ein weiterer Grund sein, die Bahn als umweltfreundliches Verkehrsmittel zu nutzen.« Der U- und S-Bahnhof Barmbek wird bislang von rund 150 000 Passagieren täglich frequentiert.

Online-Kunden können sich ihre Bestellungen künftig zum Bahnhof ihrer Wahl liefern lassen, um sie dort auf dem Nachhauseweg abzuholen. Sobald die Ware in der Hamburg-Box platziert ist, erhält der Empfänger online oder via App eine Nachricht mitsamt Öffnungscode. Das Paket wird dort 72 Stunden vorgehalten, wobei die Entwickler auf eine wesentlich höhere Fluktuation hoffen, ohne Zielzahlen zu verraten.

Die Technik namens »ParcelLock« entspringt einer Zusammenarbeit der beiden Versanddienste Hermes und DPD, ist aber prinzipiell für jeden Anbieter offen. »Die Hamburg-Box ist eine ideale Ergänzung zu unseren 300 Paketshops in Hamburg«, warb Hermes-Geschäftsführer Olaf Schabirovsky: »Gegenüber der Haustürzustellung können wir so circa 25 Prozent CO2 einsparen.« Sein DPD-Pendant Eric Malitzke bezeichnete die Neuerung als »Gebot der Vernunft und der Nachhaltigkeit«, da die stetig wachsende Haustürzustellung »nicht unendlich eskalierbar« sei: »Durch die Hamburg-Box werden wir etliche Fahrzeugbewegungen vermeiden, was den städtischen Verkehr entlastet und das Klima schont.«

Neben den Lieferriesen können auch lokale Geschäfte die Hamburg-Box unentgeltlich nutzen, wenn sie sich bei der Bahn registrieren. »Nach Feierabend lässt sich so auf dem Heimweg der Kaffee vom Lieblingsröster abholen oder das Hemd von der Reinigung einsammeln«, schwärmte Hochbahn-Vorstand Henrik Falk über die Freiheit vom Ladenschluss. »Für viele Einzelhändler ist das die Möglichkeit, etwas zu leisten, was sonst nur noch die großen Ketten mit ihren langen Öffnungszeiten können«, erklärte ParcelLock-Kommunikationsleiterin Claudia Gröning.

Während auch der Zustelldienst GLS mit im Boot sitzt, hat sich die Post-Tochter DHL dem Verbund bislang allerdings nicht angeschlossen und setzt offenbar lieber auf ihre eigenen bundesweit 4200 Packstationen. Auch Amazon baut derzeit sein eigenes Schließfachsystem aus. »Wir sind mit DHL im Gespräch«, verwies Gröning auf die oft beschworene Konsumentenmacht: »Sicher würde es helfen, wenn die Verbraucher sagen: Warum macht ihr da nicht mit?«

Insgesamt stehen zunächst 15 Hamburg-Boxen mit rund 1800 Fächern in verschiedenen Bahnhöfen, vom Hauptbahnhof über Altona bis in den Pendlervorort Halstenbek im angrenzenden Schleswig-Holstein. Sechs weitere Stationen sollen während des einjährigen Pilotprojekts noch folgen. Nach sechs Monaten soll Bilanz gezogen und entschieden werden, ob die Hamburg-Box auch für andere Großstädte mit vergleichbarer Nahverkehrsstruktur taugt. »Über eine Erweiterung entscheiden letztlich die Kunden«, kündigte Hantel an.

So leicht die Hamburg-Box für den Kunden zu nutzen sein soll, so schwierig war die Entwicklung. Ein erster Versuch in Berlin, eine »BahnhofsBox« zu etablieren, verlief in den Jahren 2016 bis 2017 im Sande. Und auch in Hamburg dauerte es von der Zielsetzung bis zur Verwirklichung rund anderthalb Jahre, ehe alle Verträge geschlossen, Zulassungen erteilt und Software entwickelt war. »Es ist ein intensives Projekt gewesen, das jetzt erst richtig losgeht«, resümierte Meike Niedbal, die für die Deutsche Bahn das Ressort »Smart Cities« leitet. Zumindest kommt es noch rechtzeitig vor dem ITS-Weltkongress, der sich im Oktober 2021 in Hamburg mit intelligenten Verkehrslösungen befassen wird.

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