Nebenrolle in »Känguru-Chroniken«

Das alte Auto der Brandenburger Sozialistin Anja Kreisel hat ein zweites Leben im Film

Anja Kreisel kann ihn im Kino sehen, in einer Straßenszene in »Murmansk/Ecke Babelsberg«. So beschreibt sie seinen Auftritt in einem US-amerikanischen Spionagethriller, der in Murmansk spielt, aber in den Babelsberger Filmstudios gedreht wurde. »Ja, zugegeben, seine tragende Rolle ist hier noch etwas klein, aber immerhin schon Hollywood«, sagt Kreisel. So zeichne sich, aufgrund von Talent und Charisma, ein Wahnsinns-Karrieresprung ab.

Die Rede ist von ihrem alten Auto der Marke VW Golf. Sie hat es einst gebraucht gekauft, und es hat ihr viele Jahre treu gedient, wie Kreisel betont. Schließlich - der Wagen ist nun bereits 15 Jahre alt - lohnten sich teure Reparaturen nicht mehr, und überhaupt gelangte Anja Kreisels Familie zu der Ansicht, dass sie keine zwei Autos mehr benötige, dass ein fahrbarer Untersatz ausreichen müsse. Also wurde der VW Golf abgemeldet und stand nutzlos herum.

Anja Kreisel hatte aber eine Art emotionale Bindung zu dem Fahrzeug aufgebaut und wollte es nicht einfach in die Schrottpresse geben. Darum rief sie Jan Kubkowski an, einen Bekannten von der Pit Crew GmbH.

Diese Berliner Firma hat sich darauf spezialisiert, Fahrzeuge für Film- und Fernsehproduktionen zu beschaffen und auszustatten. Kalkulation, Organisation und Betreuung am Set gehören zu den Leistungen des Unternehmens. Mopeds und Motorräder, Wohnwagen, Laster, Krankenwagen, Streifenwagen, Oldtimer aller Art - was immer Regisseure für ihre Dreharbeiten benötigen, die Pit Crew GmbH ist die richtige Adresse.

Für einen symbolischen Euro hat Anja Kreisel ihren VW Golf abgegeben. Als das Auto im August vergangenen Jahres bei ihr abgeholt und gerade auf einen Anhänger geladen wurde, kam zufällig ein fliegender Gebrauchtwagenhändler vorbei. Er bot für das Gefährt spontan erst 200 Euro und schließlich sogar 300 Euro. Der Mann wollte es gleich mitnehmen und redete auf den Transportfahrer ein, es wieder abzuladen. Aber Anja Kreisel ließ sich nicht darauf ein. Die Sache sei ja nun schon mit Jan Kubkowski abgemacht gewesen, sagt sie. Um die entgangenen 300 Euro tut es ihr nicht leid. Denn sie findet, das tolle Gefühl, ihr Auto mal auf der Kinoleinwand oder im Fernsehen wiederzusehen, sei auch etwas wert.

Besonders stolz ist die ehemalige Besitzerin gerade darauf, dass ihr Auto einen kleinen Beitrag zur Verfilmung der »Känguru-Chroniken« des Kabarettisten Marc-Uwe Kling geleistet hat. Es wurde verwendet, um zu testen, ob auf dem Lack linke Symbole halten, die mit Kreidefarbe aufgemalt wurden. Der witzige Film von Regisseur Dani Levy ist am 5. März in die Kinos gekommen. Dimitrij Schaad, Rosalie Thomass und Henry Hübchen sind die Hauptdarsteller. Marc-Uwe Kling hat das Drehbuch geschrieben. Der Film handelt laut Eigenwerbung von Marc-Uwe, einem »unterambitionierten Kleinkünstler mit Migräne-Hintergrund«, bei dem ungefragt ein Känguru einzieht. Marc-Uwe nennt sich Anarchist. Das Känguru freut sich darüber. Denn es ist Kommunist, und da könnten sie, so bemerkt das Tier, bis zur Revolution Freunde bleiben. »Danach wird es natürlich schwierig.«

Dieses antibürgerliche Sujet passt prima zu Anja Kreisel. »Mein Auto, Quatsch, unser aller Auto - weg mit den bürgerlichen Kategorien -, Seit an Seit, wenigstens für ein paar Sekunden, mit einem von Schnapspralinen abhängigen Känguru«, freut sie sich. »Was für ein Ritterschlag!«

Anja Kreisel ist in der Landesgeschäftsstelle der brandenburgischen Linkspartei in Potsdam angestellt, nur im Moment nach der Geburt ihres dritten Kindes in Elternzeit. Drei Kinder hätten mit Vater und Mutter sowieso kaum noch in den kleinen Golf hineingepasst, ist ihr bewusst. Sie hofft für die nächste Zeit noch auf einige Einsätze des Fahrzeugs in Film und Fernsehen. Schließlich, so träumt sie, könnte es die spektakuläre finale Szene in einem Actionfilm geben: Flug durch die Luft, Überschlag und Explosion!

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