Der Kranich wird mit Steuergeld gefüttert

Der Staat will sich an Lufthansa beteiligen - Beschäftigte hoffen auf Unternehmensrettung, Konkurrenten wittern illegale Subventionen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (IATA) hat am Wochenende ihre erste vollständige Fluggastprognose für das Jahr 2020 veröffentlicht. Man rechnet mit einem Minus von 1,5 Milliarden Passagieren. Manch renommierte Airline wird den Aderlass nicht verkraften.

Nicht nur kleine Gesellschaften werden »Bruch« machen. Um dieses Schicksal abzuwenden, stellen auch gestandene Konzerne alles auf den Prüfstand. Man storniert Flugzeugbestellungen, reduziert die Flotten. Vor allem aber setzt man den Rotstift bei den Personalkosten an. British Airways erwägt nach Gewerkschaftsangaben, jede vierte Stelle der rund 4300 Pilotenstellen zu streichen. Die skandinavische SAS kündigte an, sich von 5000 Angestellten und damit fast der Hälfte ihrer Belegschaft zu trennen. Auch die ohnehin nicht durch soziales Engagement auffälligen Billigflieger reduzieren Mitarbeiter: Ryanair will irgendwann mit 3000 Mitarbeitern weniger neu starten, Norwegian baut 4700 Jobs ab. Wer nach einer Lockerung der Reisebeschränkungen wieder Höhe gewinnt, hängt entscheidend davon ab, wie rasch man Gelder einsammeln kann. Doch weil niemand sagen kann, wie lange die Krise noch anhalten wird, lässt sich Hilfe schwer kalkulieren. Selbst wenn in Kürze ein Impfstoff gegen das Virus vorhanden wäre, bliebe der globale Flugverkehr noch für lange Zeit unter dem gewohnten Niveau.

Als die Lufthansa (LH) ihre Maschinen auf diversen Airports abstellte, hatte sie eine gewaltige Liquidität von 4,4 Milliarden Euro. Doch seither verliert die Airline jede Stunde rund eine Million Euro - was vergleichsweise wenig scheint, wenn man hört, dass die US-Fluggesellschaft United einen täglichen Barmittelverbrauch abrechnet, der umgerechnet zwischen 36 und 40 Millionen Euro liegt.

Wie ernst die Lage auch bei Lufthansa ist, zeigt ein Angebot der üblicherweise sehr auf die Sicherung ihrer Privilegien bedachten Piloten. Sie boten einen Gehaltsverzicht an, um zum Überleben ihres Arbeitgebers beizutragen. Sie sind bis Mitte 2022 zu Einbußen um bis zu 45 Prozent bereit, erklärte die Vereinigung Cockpit. Wichtig sei, dass die Arbeitsplätze erhalten blieben, weshalb Cockpit darauf dringt, dass im Gegenzug ein Kündigungsschutz vereinbart wird.

Die Zugeständnisse der Piloten würden die Lufthansa um insgesamt gut 350 Millionen Euro entlasten. Das klingt nach viel, ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. In der Konzernspitze glaubt man nicht, den enormen Kapitalbedarf über Finanz- und Kapitalmärkte decken zu können. Deshalb soll der Staat, also der Steuerzahler, helfen. Nicht von ungefähr hatte Lufthansa das Gerücht von einem 10 000-Stellen-Überhang gestreut.

Aktuell, so hört man, liegt der LH-Bedarf bei rund zehn Milliarden Euro. Die Bundesregierung scheint bereit zu sein, das Risiko einer Beteiligung einzugehen. Der Direkteinstieg würde rund eine Milliarde kosten. 5,5 Milliarden Euro könnten in Form einer stillen Beteiligung an die Lufthansa fließen. Dafür verlangt die Bundesregierung im Gegenzug eine garantierte Dividende von neun Prozent und zwei Sitze im Aufsichtsrat. Weitere 3,5 Milliarden Euro soll die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau beisteuern. Dafür, so der Vorschlag, will die Regierung eine Bürgschaft übernehmen.

Konzernchef Carsten Spohr hatte sich zunächst skeptisch zu dem Angebot geäußert. Er kann darauf verweisen, dass es - siehe Alitalia - noch nie gut ging, wenn ein Staat in die Planungen einer Airline eingreift. »Wenn die Bundesrepublik zu großen Einfluss auf operative Geschäftsaufgaben nehmen wollte, fordert das vielleicht die österreichische Regierung ebenso ein, dann möglicherweise auch die Schweiz, Belgien, Bayern oder Hessen«, sagte Spohr der »Zeit«. Damit wies er zumindest indirekt auch auf die LH-Konzerntöchter hin, die gleichfalls auf Rettung hoffen. In Belgien hat die Regierung bereits mit einer Verstaatlichung von Brusseles-Airline gedroht. LH ist zur Hälfte an der türkischen Sun-Express beteiligt, mit der österreichischen Regierung verhandelt man über Hilfen für die LH-Tochter Austrian Airlines, die Schweiz bürgt bereits für 1,2 Milliarden schwere Kredite für die LH-Töchter Swiss und Edelweiss.

Derartige Rettungshilfen für die Nummer 4 des internationalen Luftverkehrs wecken Unmut. Ryanair-Chef Michael O’Leary bezeichnete die Kranich-Airline im britischen TV-Sender »Sky News« als einen »Crack-Kokain-Junkie«, der mit Milliarden an Finanzhilfen vom Staat und weiteren siebenstelligen Hilfsleistungen für das Kurzarbeitergeld der Beschäftigten gestützt werde. Nach der Krise, so O’Learys Verdacht, werde Lufthansa »herumlaufen und alle kaufen«.

Doch es gibt auch Branchenrisen, die scheinbar absonderlich reagieren. Beispiel Etihad. Die Golf-Airline erhöht gerade ihre Flugfrequenzen nach Frankfurt am Main, Zürich sowie zu anderen wichtigen Destinationen. Das Kalkül: Wenn es demnächst wieder losgeht, will man bereits im hart umkämpften Geschäft sein. Kommentar Seite 6

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