Reisebeschränkungen für Wanderarbeiter

Nicht nur Menschen haben Probleme mit den Corona-Maßnahmen: Bienen kommen deswegen mancherorts nicht mehr zu den Blüten

  • Susanne Aigner
  • Lesedauer: 4 Min.

Honigbienen sind in Ländern mit großen Obst- und Gemüseplantagen längst eine Art fliegender Wanderarbeiter. In den USA zum Beispiel werden Bienen alljährlich von einer Plantage zur nächsten transportiert, um die Pflanzen zu bestäuben. Dabei sammeln sie zugleich Pollen und Nektar von den Blüten. Dort sind Imker mit zehntausenden Bienenvölkern keine Seltenheit.

Die riesigen Großimkereien werden von Lohnarbeitern am Laufen gehalten, die zum Teil aus Süd- und Mittelamerika in die USA einreisen. Kelvin Adee ist mit 75 000 Bienenstöcken einer der führenden Imker im Land. In diesem Jahr mangelt es ihm an verfügbaren Lkw-Fahrern für den Bienentransport. Zwar war es ihm noch vor Beginn der kalifornischen Mandelblüte gelungen, genügend Arbeitskräfte einzustellen. Doch sobald diese mit den Bienen an einen anderen Standort zögen, müssten sie sich jedes Mal selbst unter Quarantäne stellen, klagt der Präsident des US-Branchenverbands American Honey Producers Association im Interview mit der »Financial Times«. All das führt dazu, dass die Imker in diesem Jahr mit der Bestäubung weit zurückliegen. Und das ist noch nicht alles. Normalerweise importieren US-amerikanische, aber auch kanadische Imker Bienenköniginnen und andere Bienen aus Australien, Neuseeland, Mexiko und Chile. Doch weil viele Flüge gestrichen und Flughäfen geschlossen wurden, entfallen nun die Bienenkäufe aus dem Ausland.

Nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums bestäuben Bienen jedes Jahr Pflanzen im Wert von 15 Milliarden US-Dollar (13,8 Mrd. Euro). Das sind vor allem Beerenkulturen, Melonen, Brokkoli und Mandelbäume. Allein die Mandelproduktion hat sich während der vergangenen zwei Jahrzehnte verdoppelt - entsprechend hoch ist der Bedarf an Bienen. »Ein Drittel unserer Nahrung hängt von der Bestäubung der Bienen ab«, erklärt Norberto Garcia vom Internationalen Imkerverband Apimondia. Er befürchtet, die Reisebeschränkungen könnten sich negativ auf die Ernte auswirken.

Wanderimker werden in Asien ausgebremst

Auch China, das mit jährlich rund 500 000 Tonnen Honig zum weltgrößten Honigproduzenten aufgestiegen ist, kämpft mit den Auswirkungen der Corona-Maßnahmen. Üblicherweise sind rund 250 000 Imker mit ihren Bienenvölkern in Lastwagen unterwegs, in denen sie bis zu 3000 Kilometer zurücklegen. Weil die Reisefreiheit wochenlang eingeschränkt war, sind viele Bienen gestorben. Inzwischen sind die Reisebeschränkungen gelockert, doch müssen sich die Imker noch Gesundheitschecks unterziehen.

Imker in Indien sind ebenfalls betroffen: Narpinder Singh aus dem Bundesstaat Punjab produziert hauptsächlich Honig von Senfblüten für den Export in die USA. Mit seinen Bienen bestäubt er aber auch Äpfel, Litschis und Walnüsse in benachbarten Bundesstaaten. Nun dürfen Bienen und Arbeiter wegen der Beschränkungen die Grenzen nicht mehr passieren. Auch Farooq Ahmad Lone zieht normalerweise mit den seinen Bienen von Kaschmir im Norden bis nach Gujarat an der Westküste, um Senfkulturen und Apfelplantagen zu bestäuben. Wegen der Hitze am Tage reiste er bisher vorzugsweise nachts. Das ist wegen Reisebeschränkungen nicht mehr möglich. Würden die Bienen tagsüber transportiert, könnten sie an der Hitze sterben, klagt er. Bei steigenden Temperaturen müssen die Bienen daher im Schatten stehen.

Imker in Großbritannien füllen jedes Jahr ihre Bienenstöcke mit Bienen aus Südeuropa auf. Nun haben auch sie mit Importschwierigkeiten zu kämpfen: Wegen logistischer Probleme und notwendiger Genehmigungen seien Importe schwierig geworden, erklärt Luke Dixon vom Verein Urban Beekeeping, der Bienenstöcke in und um London betreut.

Europas Bienen haben mehr Bewegungsfreiheit

Imker dürfen sich zwar innerhalb europäischer Staatsgrenzen bewegen, doch in einigen Ländern wie Griechenland ist es den Imkern verboten, lange Strecken zurückzulegen, um an entfernten Orten Pflanzen zu bestäuben. In einigen Fällen - so Fani Hatjina vom Hellenic Institute of Apiculture - sind Bienen deswegen verhungert.

Dennoch: Europa ist weniger stark von den Beschränkungen betroffen als die USA, betont Stefan Mandl, Präsident des Erwerbsimkerbundes in Österreich. Länderübergreifende Bienentransporte sind derzeit nicht möglich. Einige deutsche und österreichische Imker lassen ihre Völker Jahr für Jahr wegen des milden Klimas in Mittelitalien überwintern und holen sie im Frühjahr wieder nach Hause. In diesem Jahr empfiehlt der den Imkern allerdings - aus den bekannten Gründen - ihre Bienen in Italien zu lassen.

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