Im Kampf um Normalität

Verbandspräsident Weigert über die Schwierigkeiten, die Corona Kontaktsportarten wie Karate bereitet

  • Lesedauer: 4 Min.

Die Corona-Auflagen gelten weiterhin. Wie gehen die Karateka damit um? Wie funktioniert Kontaktsport ohne Kontakt?

Es ist natürlich nicht befriedigend derzeit. Wir können unseren Sport nicht so ausüben, wie wir wollen. Unser Glück ist, dass Karate aus drei Säulen besteht: 1. Kihon, Grundschule, wo wir die Technik erlernen, 2. die Performance-Kata, der sogenannte Scheinkampf ohne Gegner, und 3. das Kumite - der Kontakt, die Kampfübungen. Diese dritte Säule, dieses Partnertraining, können wir bis jetzt nicht ausüben. Das können wir im Moment noch verschmerzen, weil wir ja die beiden ersten noch haben.

Dürfen die Vereinssportler denn jetzt schon wieder in den Hallen trainieren?

Ja. Seit Montag dürfen wir wieder in die Hallen, fast in jedem Bundesland, in Gruppen bis zu 20 Personen.

Wie haben die Athleten und Athletinnen trainiert bis dahin?

Das ist von Verein zu Verein unterschiedlich. Es gab vor allem Online-Trainingsangebote. Unseren Sport konnten wir eigentlich auch problemlos alleine zu Hause trainieren, denn wir brauchen keine besonderen Geräte oder sonst irgendetwas.

Aber man braucht doch Platz?

Eine Wohnung ist in der Regel groß genug. Man muss nicht zehnmal nach vorne und hinten schreiten, sondern führt die Übungen in einem 360-Grad-Radius aus: Einen Schritt nach vorne und einen rückwärts, dann braucht es nur vier Quadratmeter. Neu waren auch die Online-Wettbewerbe. Man konnte seine Kata, also bestimmte traditionelle Bewegungsabläufe, ins Netz hochladen, und die wurde dann von lizenzierten Kampfrichtern bewertet. Das war E-Sport ganz neu gedacht: Man sitzt nicht mehr an der Konsole, sondern macht seine Übungen - wie im Eiskunstlaufen die Pflicht. Manche solcher Wettbewerbe wurden international ausgetragen: mit bis zu 800 Startern!

Wann wird den Athleten komplettes Training wieder möglich sein?

Spät. Die Wiederaufnahme des Kontaktsports wird der letzte Schritt sein. Ich gehe davon aus, dass wir spätestens im Herbst wieder alles machen können. Aber ich glaube auch, dass wir Meisterschaften erst nächstes Jahr wieder ausrichten können.

2019 hatte der Deutsche Karate Verband 152 000 Mitglieder. Hat sich Corona auf die Mitgliederzahlen ausgewirkt?

Es gibt keine Austrittswelle oder so. Aber wo wir Einbußen haben werden, das sind die Anfängerkurse, die wir nicht starten können. Und das bringt die Mitgliederbewegung durcheinander, denn insbesondere im Kindersektor passiert natürlich viel. Da haben wir mit Sicherheit Rückgänge zu verzeichnen.

Das heißt, der Verband wird auch finanziell leiden?

Das auf jeden Fall. Ich gehe von ungefähr einem Viertel der Einnahmen aus, das uns wegfällt. Aber wir sind vom Verband her so gut aufgestellt, dass wir nicht in existenzielle Schwierigkeiten geraten werden.

Gibt es noch andere große Auswirkungen von Corona auf Karate?

Ja, Karate wird in Tokio zum ersten Mal bei den Olympischen Spielen dabei sein, und das wurde jetzt auch um ein Jahr verschoben. Da gibt es Athleten, die die Qualifikation fast absolviert hatten und die nun ganz von vorn anfangen. Da hat mancher einen Durchhänger.

Wie viele deutsche Karateka sind potenzielle Olympiakader?

Es sind acht Medaillensätze bei Olympia zu vergeben, und unser Olympiakader umfasst acht Personen. Jonathan Horne aus Kaiserslautern, unser amtierender Weltmeister, war eigentlich schon nominiert, dann kam die Verlegung der Spiele. Nach Corona muss er die zwei Turniere noch einmal bestreiten.

Wie viele deutsche Karateka wollen Sie zu Olympia bringen? Was ist die Zielmarke?

Wir haben keine. Ich gehe von zwei bis drei aus, die sich qualifizieren. Die Konkurrenz ist hart: Unser Weltverband vereint 199 Nationen, pro Wettbewerb dürfen aber nur zehn Karateka starten. Ein Startplatz pro Wettbewerb ist von vornherein an den Gastgeber Japan vergeben. Das heißt, pro Disziplin gibt es neun Starter, um den Sportler aus 199 Ländern streiten. Sie können sich vorstellen, wie schwierig es ist, sich da zu qualifizieren!

Schon 2016 wäre Karate fast olympisch geworden. Was lief damals schief?

In Rio de Janeiro, ach ja, das war eine große Ungerechtigkeit. Zwischen Golf oder Karate musste das IOC auswählen und obwohl wir in fast allen Parametern besser waren als Golf - zum Beispiel der höhere Frauenteil oder die Verbreitung in möglichst vielen Ländern weltweit - unterlagen wir. Wir waren in einem Punkt dem Golf unterlegen: was das Finanzielle betrifft.

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