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Die Favoritinnen bei der Euro: Aus vier mach eins

Spanien, England und Frankreich gelten neben Deutschland als größte Favoritinnen bei der Europameisterschaft

  • Lennart Garbes
  • Lesedauer: 5 Min.
Englands Georgia Stanway (l.) und Spaniens Mariona Caldentey standen sich Anfang Juni noch in der Nations League gegenüber.
Englands Georgia Stanway (l.) und Spaniens Mariona Caldentey standen sich Anfang Juni noch in der Nations League gegenüber.

Wenn die deutschen Fußballerinnen am Freitagabend in St. Gallen in die EM starten, ist der neunte Titel das erklärte Ziel. Dafür müssen Giulia Gwinn und Co. zuerst die Gruppe C mit Schweden, Polen und Dänemark überstehen. Danach droht im Viertelfinale bereits ein echtes Gipfeltreffen. Je nach Ausgang der Gruppenphase könnte es zum Duell mit den amtierenden Europameisterinnen aus England kommen oder mit der Mannschaft Frankreichs, die endlich ein internationales Finale erreichen will. Auf die Gewinnerinnen warten als Belohnung wahrscheinlich schon im Halbfinale die spanischen Weltmeisterinnen. Ein Blick auf die anderen Titelanwärterinnen bei der EM:

Spanische Blockbildung

Für Spanien geht es in diesem Sommer sogar um einen Titel-Hattrick. Nach dem WM-Triumph 2023 in Australien und dem Nations-League-Sieg im vergangenen Jahr wollen die Ibererinnen den dritten Pokal im dritten Jahr hintereinander. Allerdings haben die Spanierinnen bislang noch nie ein EM-Endspiel erreicht. Damit sich das diesmal ändert, setzt Trainerin Montse Tomé auf einen zehn Frauen starken Block von Champions-League-Finalist FC Barcelona. Und die 43-Jährige lässt auch den entsprechenden Fußball spielen. Ballbesitz und feine Pässe sind die höchsten spanischen Güter.

Niemand verkörpert diesen Ansatz mehr als die beiden Superstars im spanischen Kader. Aitana Bonmatí und Alexia Putellas machten die letzten vier Weltfußballerinnenwahlen unter sich aus. Allerdings konnten die beiden Barça-Profis im Nationaltrikot bisher viel zu selten gemeinsam glänzen. Bei den letzten großen Turnieren war es Putellas, die nach einem Kreuzbandriss erst die EM 2022 verpasste und dann auch beim spanischen WM-Sieg 2023 nur eine Nebenrolle spielen konnte. Nun ist es Bonmatí, die nach einer viralen Meningitis kurz vor der EM mehrere Tage im Krankenhaus behandelt werden musste. Die 27-Jährige ist inzwischen zwar wieder im Teamquartier in Lausanne. Ob und wann sie bei der EM voll einsatzfähig sein wird, ist aber noch unklar.

Die Gruppe B mit Belgien, Italien und Portugal sollten die Spanierinnen in Normalform auch ohne Bonmatí auf Platz eins beenden. Und falls die Weltmeisterinnen in den ersten Partien tatsächlich auf ihre Weltfußballerin verzichten müssen, stünde schon der nächste Rohdiamant aus Barças Talentschmiede bereit. Die 18-jährige Vicky Lopez erzielte in der abgelaufenen Saison bereits elf Tore für Barcelona. Wie ein gewisser Lamine Yamal am Vorabend des EM-Siegs der Spanier im vergangenen Jahr feiert Lopez einen Tag vor dem EM-Finale in Basel ihren Geburtstag. Auch der Aberglaube spricht für Spanien.

Englisches Selbstvertrauen

Statt einer spanischen Doppel-Party am 27. Juli schwebt den Engländerinnen beim Turnier in der Schweiz Historisches vor. Als zweites Team nach Deutschland wollen die Lionesses das Kunststück schaffen, ihren EM-Titel zu verteidigen. Erfolgsgarantin dafür soll erneut Sarina Wiegman sein. Die Niederländerin ist die erste Trainierin, die mit zwei verschiedenen Nationalteams Europameisterin wurde. Nach dem Erfolg mit ihrem Heimatland 2017 bescherte sie den Engländerinnen bei deren Heim-EM vor drei Jahren den ersten Titel. Bisher hat die 55-Jährige bei Europameisterschaften eine perfekte Bilanz von zwölf Siegen aus zwölf Spielen.

Bei der Euro 2025 ist Wiegman allerdings auch als Umbauleiterin gefordert. Mit Torhüterin Mary Earps und Stürmerin Fran Kirby beendeten zwei langjährige Stützen des Teams kurz vor dem Turnier ihre Länderspielkarriere – wahrscheinlich auch, weil sie in den Plänen der Nationaltrainerin keine Hauptrollen mehr spielten. Im Tor steht stattdessen die 24-jährige Hannah Hampton vom in der vergangenen Spielzeit ungeschlagenen englischen Meister FC Chelsea. Im Sturm wirbeln die EM-Torschützenkönigin von 2022, Beth Mead, und Alessia Russo. Beide gewannen im Mai mit Arsenal London gegen Barcelona die Champions League. Das Selbstvertrauen der Engländerinnen dürfte groß sein und wird in der schwierigen Gruppe D direkt auf die Probe gestellt. Vor den Spielen gegen Wales und die Niederlande kommt es am ersten Spieltag direkt zum Favoritinnenduell mit den stark eingeschätzten Französinnen.

Frankreichs Physik und Physis

Die Équipe Tricolore der Frauen wartet noch immer auf ihre erste Finalteilnahme bei einer EM oder WM. Damit es diesmal endlich klappt, zog Frankreichs Trainer Laurent Bonadei sogar verstorbene Physikgenies zu Rate. »Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten«, erklärte der 55-Jährige frei nach Albert Einstein, um damit seine mutige Kadernominierung für die EM zu begründen. Abwehrturm Wendie Renard, Frankreichs ewige Toptorjägerin Marine Le Sommer und Mittelfeldspielerin Kenza Dali gehören nicht zum Aufgebot. Frankreich fehlen damit 444 Länderspiele Erfahrung.

Ohne die alternden Ikonen setzt Bonadei voll auf Geschwindigkeit. Kadidiatou Diani, Marie-Antoinette Katoto und Sandy Baltimore bilden eine extrem unangenehme Sturmreihe, die ihre Gegnerinnen hoch anlaufen und blitzschnell kontern kann. Mit Clara Matéo verfügt das Team sogar noch über eine weitere Topstürmerin von der Bank. Mit diesem Angriff ist Frankreich in diesem Jahr noch ungeschlagen. In der Nations League gab es sechs Siege aus sechs Spielen bei einem Torverhältnis von 14:2. Wenn die Französinnen ins Laufen kommen, sind sie schwer aufzuhalten. Doch in der schwierigen Gruppe D wird die Équipe auch beweisen müssen, wie gut sie mit Rückschlägen umgehen kann.

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