Gefeiert wird später

Den Fußballern des 1. FC Union Berlin gelingt mit dem Sieg gegen Paderborn der Klassenerhalt - der Gegner steigt »stolz« wieder ab

In Köpenick ist man anderes gewohnt. Also gab Christopher Trimmel ein Versprechen: »Wir werden die Feierlichkeiten nachholen«, sagte der Kapitän des 1. FC Union Berlin am späten Dienstagabend. Mit dem 1:0-Sieg gegen den SC Paderborn hatten die Berliner zuvor den Klassenerhalt zwei Spieltage vor dem Saisonende der Bundesliga auch rechnerisch perfekt gemacht. Abgesehen von vereinzelten Sprechchören aus dem Wald, ein paar knallenden Raketen und einer kleinen Jubelschar vor dem Stadion, blieb es in der Alten Försterei ruhig.

Die merkwürdige Atmosphäre von Geisterspielen kennt man seit ein paar Wochen. Was aber, wenn es etwas zu feiern gibt? Zum Beispiel eine »Sensation«, wie Unions Trainer Urs Fischer den gewonnenen Abstiegskampf des Aufsteigers nennt. So wie Mittelfeldspieler Robert Andrich ging es wohl den meisten: »Keiner weiß, was gerade so richtig ist.« Er vermisste das »Glücksgefühl von außen«. Nach dem Abpfiff standen Spieler, Trainer und Betreuer im Mittelkreis und hatten sich T-Shirts übergezogen. »Schluss. Endlich. Klasse gehalten«, stand darauf. Aber nach den ersten Umarmungen wusste keiner mehr etwas mit sich anzufangen.

Für die Sieger war es eine unwirkliche Atmosphäre. Zum Verlierer passte die gedrückte Stimmung. Denn die Paderborner stehen nach ihrer 20. Saisonniederlage als erster Absteiger fest. Natürlich war Trainer Steffen Baumgart »enttäuscht«, gleichzeitig aber auch »stolz«. Auch wenn es am Ende »für die erste Liga nicht ausreichend« war, sah er sein Team doch oft »auf Augenhöhe« mit den Gegnern.

Für das Spiel gegen Union galt das auch: Es war Paderborns zwölfte Niederlage mit nur einem Tor Unterschied. Gleichzeitig steht die Partie sinnbildlich für die Spielzeit des Klubs. Mit viel Aufwand bearbeiteten die Gäste ihren Gegner, griffen mutig immer wieder früh an und versuchten, auf dem schnellstmöglichen Weg nach vorn zu kommen. Der Ertrag aber war wieder einmal zu gering. In der ersten Halbzeit war ein Schuss ans Außennetz von Mohamed Dräger die gefährlichste Aktion. In den zweiten 45 Minuten wurden die Paderborner in der Offensive zwar etwas zwingender. Aber eine Grätsche von Rechtsverteidiger Trimmel und eine Parade von Unions Torwart Rafal Gikiewicz entschärften die besten Paderborner Chancen.

Vor knapp 15 Monaten sah das noch ganz anders aus. Im Kampf um den Aufstieg hatte Paderborn einen wichtigen 3:1-Sieg in der Alten Försterei gefeiert. Am Ende stieg der SC auf Platz zwei direkt auf - ein Durchmarsch mit Trainer Baumgart von der dritten in die erste Liga. Die punktgleichen Unioner mussten damals den Umweg über die Relegation nehmen. Jetzt trennen beide Mannschaften 18 Zähler. Paderborns kompromissloser Offensivfußball stieß in der Bundesliga an seine Grenzen. Die vergleichsweise geringen finanziellen Möglichkeiten des Klubs spielen dabei eine mitentscheidende Rolle.

Neben Paderborn war vor der Saison auch der 1. FC Union für die meisten ein sicherer Abstiegskandidat. Daran erinnerten, so stolz wie genüsslich, am Dienstagabend noch einmal Mittelfeldspieler Christian Gentner, Kapitän Trimmel und Geschäftsführer Oliver Ruhnert. Die Spielweise der Berliner unter Trainer Fischer aber ist eher erst- als zweitligatauglich: diszipliniert in der Defensive, effizient im Angriff. Mit bislang 38 Toren haben sie gerade mal vier mehr als die Paderborner erzielt, in der Abwehr aber sind gleich acht Teams schlechter als Union. Zudem bilden die Berliner die laufstärkste Mannschaft der Liga, am Dienstagabend spulten sie schon wieder 127 Kilometer runter.

Und dann ist da noch diese eine besondere Stärke: Zehn Treffer hat Union nach Standardsituationen erzielt. Und nur fünf Spieler haben in dieser Bundesligasaison mehr Tore vorbereitet als Christopher Trimmel. Am Dienstagabend segelte sein Freistoß in der 27. Minute so gut in den gegnerischen Strafraum, dass Paderborns Ben Zolinski ihn nur noch ins eigene Netz verlängern konnte. Mit seiner elften Torvorlage hat der Kapitän den Klassenerhalt gesichert. Jetzt muss er nur noch sein Versprechen einlösen.

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