Konzerne unter Kontrolle
Wirecard: Regierung will bessere Bilanzprüfung / LINKE für Untersuchungsausschuss
Berlin. Der Bilanzskandal um den Zahlungsdienstleister Wirecard sorgt nach tagelangem Aussitzen doch für Betriebsamkeit in der Bundesregierung. Erst kündigte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) an, die Finanzaufsicht reformieren zu wollen, nun legte das Justizministerium nach: Es will die Regeln für die Bilanzprüfung überarbeiten. Zunächst werde der Vertrag mit der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung gekündigt, die im Staatsauftrag bisher die Unternehmensbilanzen prüft. Dem privatrechtlichen Verein waren die Betrügereien genauso wenig aufgefallen wie der Bundesfinanzaufsicht Bafin.
Ferner kündigte die Deutsche Börse am Montag an, die Regeln für die Zugehörigkeit im Dax zu überarbeiten. Der Finanzplatz Deutschland kämpft mit dem Problem, dass ein Unternehmen in die erste Börsenliga aufsteigen durfte, bei dem es offenbar kriminelle Aktivitäten gab. Der Ex-Chef ist auf Kaution frei, der frühere Finanzvorstand ist flüchtig und wird in Ostasien vermutet. Bei Wirecard fehlen 1,9 Milliarden Euro, die in der Bilanz ausgewiesen sind. Das Unternehmen aus Aschheim bei München steht seit Montag offiziell unter Kontrolle des Rechtsanwalts Michael Jaffé als vorläufigem Insolvenzverwalter.
Auch die Opposition wird angesichts des Systemversagens der Aufsicht aktiv: Während die Grünen eine Aktuelle Stunde im Bundestag beantragten, will die Linkspartei den Skandal tiefgründiger aufarbeiten. Fraktionschef Dietmar Bartsch hält einen Untersuchungsausschuss oder Sonderermittler für möglich.
Der LINKE-Finanzexperte Fabio De Masi kritisiert im »nd«-Interview die Rolle des Finanzministers und auch der Aufsichtsbehörde Bafin, die trotz früher Hinweise kaum tätig wurde: »Unter ihren Augen hat sich der größte Börsenskandal der jüngeren deutschen Geschichte ereignet.« KSte Seite 7
Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Dank der Unterstützung unserer Community können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen
Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.