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Hunger wird mit Repression beantwortet

Simbabwe steht vor einer massiven Hungersnot, Proteste gegen Misswirtschaft und Korruption der Eliten werden brutal niedergeschlagen

  • Christian Selz, Kapstadt
  • Lesedauer: 3 Min.

Keine zwei Wochen ist es her, da versuchte Simbabwes Regierung mit der Ankündigung, einst enteignete weiße Farmer entschädigen zu wollen, ihr Ansehen im Ausland aufzupolieren. »Einen Abschluss und einen Neuanfang« versprach Präsident Emmerson Mnangagwa bei der Unterzeichnung eines entsprechenden Abkommens. Doch während nach außen Bilder der Versöhnung gesendet wurden, plante die Regierung nach innen bereits den nächsten Schlag gegen die Opposition. Um Demonstrationen gegen die grassierende Korruption und den wirtschaftlichen Niedergang des Landes zu verhindern, blockierte die Polizei faktisch die beiden größten Städte Harare und Bulawayo. Etliche Journalisten und Oppositionelle wurden verhaftet. »Zimbabweanlivesmatter« lautet der dazu passende Hashtag. Die zynische Wahrheit dahinter: Menschenleben zählen in Simbabwe meist nur, wenn es um Weiße geht. Und kaum einer dürfte das besser wissen als Staatschef Mnangagwa.

Der heutige Präsident war zu Beginn der 1980er Jahre an der Ursünde der antikolonialen Befreier Simbabwes beteiligt. Mnangagwa diente im ersten Kabinett nach der Unabhängigkeit als Sicherheitsminister und Chef des Geheimdienstes CIO. Er war mitverantwortlich für das Gukurahundi, eine Serie von Massakern gegen die Bevölkerungsgruppe der Ndebele, in der die oppositionelle ZAPU den stärksten Rückhalt hatte. Mnangagwa beschimpfte die Anhänger des politischen Gegners in Reden als »Kakerlaken« und drohte, »alle Dörfer, die mit Dissidenten befallen sind«, niederzubrennen. Etwa 20 000 Menschen, die meisten Zivilisten, wurden damals getötet. In der Folge lenkte ZAPU-Führer Joshua Nkomo ein und ließ seine Partei in einem Bündnis mit der ZANU von Mnangagwa und Staatschef Robert Mugabe aufgehen. So entstand die ZANU-PF, die Simbabwe bis heute regiert.

Global hatte das Gukurahundi kaum ein Echo. Sanktionen der EU und der USA erfuhr Simbabwe erst, nachdem Veteranen des Befreiungskampfes und Landlose ab dem Jahr 2000 weiße Farmer vertrieben und deren Ländereien enteignet wurden. Erst da wurde Mugabe im Westen zum Dämon stilisiert. Als Mnangagwa seinen langjährigen Vorgesetzten dann 2017 durch einen glasklaren Militärputsch ablöste, fielen die internationalen Reaktionen positiv aus. Der neue Staatschef erklärte sein Land »open for business« und erhielt dafür reichlich Applaus. Der britische Premier Boris Johnson bejubelte gar eine Chance, Simbabwe wieder in den Commonwealth aufzunehmen.

Der politische Wandel blieb ebenso aus wie der erträumte wirtschaftliche Aufschwung. Heute liegt die Inflation bei über 700 Prozent. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen veröffentlichte in der vorvergangenen Woche einen Bericht, in dem es davon ausgeht, dass bis Ende des Jahres 8,6 Millionen Simbabwer auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen sind - das entspricht 60 Prozent der Bevölkerung. Jobs im formellen Sektor gibt es nahezu nicht mehr, die verbliebenen Beschäftigten im öffentlichen Dienst erhalten einen massiv entwerteten Lohn. Weil das Pflegepersonal deshalb häufig streikt, sind die Patienten in den Krankenhäusern oft weitgehend sich selbst überlassen.

Gegen die Melange aus Korruption, Misswirtschaft und Repression unter der ZANU-PF-Regierung regt sich ein Widerstand, der längst nicht mehr nur ethnisch oder parteipolitisch motiviert, sondern immer stärker von Armut und Hunger getrieben ist. Die Regierung reagiert wie eh und je. Hunderte sollen inzwischen verhaftet worden sein. Es gibt Berichte über »Verschwundene« und Folterungen. In der Region wächst die Sorge vor einer weiteren Eskalation. Am Donnerstag ernannte Südafrikas Präsident zwei Unterhändler, die nun in Harare vermitteln sollen.

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