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Infrastruktur um jeden Preis
Die Thailand-Birma-Bahn wurde von Zwangsarbeitern errichtet. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Südost- und Ostasien scheiterte auch Japans größtes Bauprojekt.
Die Schweißarmee, eine der größten organisierten Erpresser während der japanischen Ära in Birma, ist gleichbedeutend mit der Sklavenarbeit in Nazi-Deutschland«, schrieb der birmanische Zeitzeuge U Hla Pe 1961 in seinem Buch über die japanische Besetzung Birmas, dem heutigen Myanmar. »Alles begann damit, dass die Japaner unbedingt eine Landverbindung von China nach Malaya und Birma benötigten.« Japans gigantischstes Infrastrukturprojekt während des Zweiten Weltkriegs, die über 400 Kilometer lange Thailand-Birma-Bahn, trieb annähernd 100 000 asiatische Zwangsarbeiter und 10 000 alliierte Kriegsgefangene in den Tod.
Bis zum Frühjahr 1942 hatte Japan neben Ostasien das gesamte kontinentale und insulare Südostasien unter Kontrolle gebracht. Dazu zählten das zuvor französisch beherrschte Indochina - Vietnam, Laos und Kambodscha -, die Philippinen als US-amerikanische Kolonie, Niederländisch-Indien, das heutige Indonesien, mit seinen reichen Erdöl- und Gasvorkommen in Aceh sowie Malaya samt der von den Briten für uneinnehmbar gehaltenen »Festung Singapur«. Doch blieb für die Japaner ein Problem: Ihre Nachschubwege zwischen Thailand und der birmanischen Hauptstadt Rangun (heute Yangon) waren zu weit. Sie verliefen über den großen Umweg via Singapur und die Straße von Malakka, eine Seeroute, die kaum Schutz gegen Luftangriffe der Alliierten bot.
Am 15. August 1945 – kurz nach der Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki – erklärte Japan seine Kapitulation. Der ostasiatische Staat hatte bereits 1936 mit dem Antikominternpakt sein Bündnis mit Nazideutschland und Italien besiegelt. Obwohl Deutschland diesen mit dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt brach, verschlechterten sich die Beziehungen zwar, brachen aber nicht ab. Im September 1940 wurde das Bündnis zwischen Deutschland, Italien und Japan durch den Dreimächtepakt ergänzt.
Darin wurde Japan der »Großraum Ostasien« als Einflussgebiet zugestanden. Diese Allianz mit den faschistischen Regimen im Westen, war Teil der japanischen Politik einer »Größeren Ostasiatischen Gemeinsamen Wohlstandssphäre«, die die geschwächten europäischen Kolonialmächte (Großbritannien, Frankreich und die Niederlande) verdrängen und durch eine japanische Hegemonie ersetzen sollte.
Zudem erhoffte man sich Unterstützung gegen China. Die ost- und südostasiatischen sowie pazifischen Peripherien sollten demnach auf Japan als politökonomisches Zentrum hin ausgerichtet, Bodenschätze der benachbarten Staaten nach Japan gebracht und die Ausweitung der eigenen Kriegsindustrie erreicht werden. Die Thailand-Birma-Bahn sollte dafür die notwendige Infrastruktur bieten. rw
Rückgriff auf alte britische Pläne
Zwar gab es eine Verbindung von Thailand ins birmanische Moulmein. Doch diese Überlandpiste war für Schwertransporte sowie einen ständigen Nachschub von militärischem Gerät und zivilen Gütern jeder Art ungeeignet. Erst recht in der Regenzeit, wenn das Terrain fast unpassierbar wurde. So entsann sich der japanische Generalstab eines Plans, der bereits vor dem Krieg in Rangun und Bangkok gehegt worden war: Moulmein durch eine Bahnlinie mit der thailändischen Hauptstadt zu verbinden. Diese könnte, so das militärstrategische Kalkül Tokios, Dreh- und Angelpunkt der Nord-Süd- sowie Ost-West-Expansion werden, japanischen Truppen den Weg von China nach Singapur ebnen und ihnen gleichzeitig als logistischer Knotenpunkt für eine Eroberung des indischen Subkontinents dienen.
Endpunkt der Thailand-Birma-Bahn auf birmanischer Seite war Thanbyuzayat, das bereits per Schiene mit der Hauptstadt Rangun verbunden war. Ausgangspunkt auf thailändischer Seite bildete Nong Pladuk, wo ebenfalls ein Schienennetz bestand, das gen Süden über Bangkok führte und in Singapur endete. Insgesamt 415 Kilometer trennten Nong Pladuk von Thanbyuzayat. Die Bauzeit einer solchen Strecke, die im Grenzgebiet beider Länder durch dichten Dschungel führte, hatten frühere britische Pläne auf circa fünf Jahre geschätzt. Aus Tokio aber erging die Order, in maximal 16 Monaten fertig zu werden - koste es, was es wolle. Im Juni 1942 begannen diesseits und jenseits der Grenze die Bauarbeiten, die tatsächlich Mitte Oktober 1943 abgeschlossen wurden.
Im Unterschied zu Thailand, das als einziges Land in der Region seine Unabhängigkeit halbwegs zu wahren vermochte, war Birma seit 1942 militärisch besetzt. In der Hauptstadt Rangun hatte das japanische Oberkommando die Burma Central Executive Administration (BCEA) aus der Taufe gehoben, eine Koalition aus verschiedenen Fraktionen der anti-britischen Unabhängigkeitsbewegung. Bis zum 1. August 1943, als Birma seine offizielle Unabhängigkeit von der japanischen Oberaufsicht verkündete, hatte die BCEA vom japanischen Generalstab den Befehl erhalten, ausreichend Arbeitskräfte für die birmanische Teilstrecke der Thailand-Birma-Bahn aufzubieten. Zuständig war das im März 1943 eigens geschaffene, der BCEA angegliederte Zentrale Arbeitsdienstbüro. Dessen Propagandisten hatten in nationalen Kampagnen über 70 000 Arbeitswillige angeworben. Doch die Versprechungen aus den Annoncen - üppige Löhne, begehrte Waren und medizinische Versorgung - sollten, so U Hla Pe, Wunschdenken bleiben.
Was immer an pro-japanischen Gefühlen bestanden hatte, schlagartig änderte sich das Bild, als Japan in großem Stil birmanische Romusha, zwangsrekrutierte Arbeiter und Bauern, zum Bau der 111 Kilometer langen birmanischen Teilstrecke abkommandierte - eine tiefe Demütigung für ein vermeintlich unabhängiges Land.
Zum Arbeitsdienst gezwungen
Die Folgen: Einerseits gingen die anfänglich hartgesottenen Kollaborateure der japanischen Militärverwaltung zunehmend auf Distanz zu derselben, was dazu führte, dass seit August 1944 die von Aung San, dem Vater der späteren Demokratie-Ikone Aung San Suu Kyi, geführte Antifaschistische Volksfreiheitsliga (AFPFL) und die birmanische Armee öffentlich zum Guerillakampf gegen die Japaner aufriefen und taktisch mit den vorrückenden Truppen der Alliierten kooperierten. Zum anderen konnten von den insgesamt etwa 175 000 birmanischen Romusha letztlich nur knapp 90 000 zum Bau an der Eisenbahn eingesetzt werden. Viele flüchteten, bevor sie die Arbeitslager erreichten. Dennoch forderte der Bau der Thailand-Birma-Bahn auf birmanischer Seite mindestens 40 000 Opfer. Unklar bleibt bis heute, wie viele der über 80 000 vor dem Arbeitseinsatz geflüchteten Birmanen während ihrer Flucht an Krankheiten, Unterernährung und Erschöpfung starben. Insgesamt waren etwa 200 000 Romusha, so dokumentiert es das Thailand-Burma-Railway-Centre in Kanchanaburi, zum Bau der Eisenbahn abkommandiert. Die Hälfte davon - überwiegend Birmanen sowie aus Malaya zwangsverschleppte Malaien und Tamilen - überlebten die Strapazen nicht.
Nach etwa 16 Monaten extremer Schinderei wurde die Eisenbahnstrecke am 17. Oktober 1943 fertig gestellt, als die Arbeitsteams diesseits und jenseits der Grenze bei Konkuita unweit des Drei-Pagoden-Passes in Thailand zusammentrafen. Kurz darauf wurde die Bahn von den japanischen Truppen in Betrieb genommen. Bis zu 3000 Tonnen an Nachschub und militärischem Gerät sollten täglich über die Schienen rollen. Meistens aber war die Tonnage niedriger - aufgrund technischer Mängel infolge überhasteter Baumaßnahmen und verstärkter alliierter Luftangriffe. Diese führten schließlich dazu, dass die Bahn bereits im Frühjahr 1945 für den japanischen Truppen- und Güternachschub kaum noch brauchbar war. Nach dem Krieg wurden große Streckenteile durch die Briten zurückgebaut, der birmanische Teil wurde als Reparationen an die Briten verwendet.
Erst 2003 entstand auf Privatinitiative australischer Staatsangehöriger das Thailand-Burma-Railway-Centre (TBRC). Davor gab es zwar eine Gedenkstätte für australische Toten und gut gepflegte Kriegsgräber der alliierten Soldaten. Doch in und um Kanchanaburi erinnerte kein Ort und kein Denkmal an das Los der asiatischen Zwangsarbeiter. Auf den Kriegsfriedhöfen in Kanchanaburi und im etwa drei Kilometer entfernten Chungkai bestattete man nach jahrelanger, mühevoller Arbeit auch die sterblichen Überreste von annähernd 9000 Toten. Ab und zu tragen diese Grabsteine die Inschrift »Nur Gott allein kennt seinen Namen«. Ein verhaltener Hinweis auf die große Zahl der lange verschwiegenen, bis heute namenlosen asiatischen Opfer des Zweiten Weltkriegs.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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