Gleichheit vor dem Paritätsgesetz

Verfassungsgericht verhandelt Klagen von AfD und NPD gegen Wahllisten mit verbindlicher Frauenquote

»Wir brauchen mehr Frauen, die in Parlamenten mitentscheiden! Die Perspektiven von unterschiedlichen Frauen müssen noch stärker in die politische Meinungsbildung einfließen.« So heißt es in einer Erklärung von zehn weiblichen Brandenburger Landtagsabgeordneten - abgegeben mit Blick auf die Verhandlung des Landesverfassungsgerichts über das Paritätsgesetz, die für den 20. August anberaumt war.

Dieses Anfang 2019 vom Landtag verabschiedete Gesetz schreibt den Parteien vor, quotierte Landeslisten aufzustellen, auf denen sich männliche und weibliche Kandidaten im Reißverschlussverfahren abwechseln. Für die Landtagswahl 2019 galt dieses Gesetz noch nicht, aber für alle künftigen sollte es maßgeblich sein - also zuerst für die nächste Landtagswahl 2024, bei vorgezogenen Neuwahlen auch schon früher.

Ob es so kommt, hängt aber auch davon ab, was das Landesverfassungsgericht von der Sache hält. Die mündliche Verhandlung beginnt am Donnerstagmorgen. Es wird nicht damit gerechnet, dass noch am selben Tage eine Entscheidung fällt. Das Verfassungsgericht will erst am Abend festlegen, wann ein Urteil verkündet werden soll. Bis Redaktionsschluss geschieht das nicht. Aktiv geworden gegen das Gesetz sind übrigens auch Piraten und Junge Liberale.

In der Erklärung der zehn Landtagsabgeordneten heißt es: »Wir setzen auf ein progressives Urteil des Gerichts und hoffen auf eine ernsthafte Abwägung von Wahlrechtsgrundsätzen und Gleichstellungsauftrag.« Unterzeichnet wurde die Erklärung von Abgeordneten von SPD, CDU, Grünen, Linke und Freien Wählern. Es fehlten nur Unterschriften von Frauen aus der AfD-Fraktion. Aber dies nicht ohne Grund. Denn die AfD hat gegen das Paritätsgesetz geklagt, genauso wie die NPD. Vor dem Verfassungsgericht erscheinen zwei der nur fünf Frauen in der 23-köpfigen AfD-Landtagsfraktion. Es sind die stellvertretende Landesvorsitzende Birgit Bessin und die Anwältin Lena Duggen.

Vor dem Justizzentrum an der Potsdamer Jägerallee postiert sich der Frauenpolitische Rat mit einem Transparent, das an den Slogan von Barack Obama während des US-Präsidentschaftswahlkampfes im Jahr 2007 erinnert. »Parität - Yes, we can«, steht dort(Parität - ja, wir können es). Die Landtagsabgeordnete Marlen Block (Linke) ist eine von den Frauen, die dieses Transparent hält. Neben ihr steht Claudia Sprengel, Wahlkreismitarbeiterin der Bundestagsabgeordneten Anke Domscheit-Berg (Linke). Doch nicht nur Frauen demonstrieren auf diese Weise. Auch zwei Männer zeigen sich mit einem Pappschild, auf dem unmissverständlich zu lesen ist: »Mehr Frauen in die Parlamente.«

Der Anwalt der NPD erklärt, die Befürworter des Paritätsgesetzes seien den Beweis schuldig geblieben, dass Frauen bei der Nominierung benachteiligt werden. »Es wird keine Frau daran gehindert, in eine Partei zu gehen oder sich als Kandidatin für eine Wahl aufstellen zu lassen«, sagt er. »Und Abgeordnete sind Vertreter des ganzen Volkes und nicht irgendwelcher Gruppen oder Geschlechter.«

Der Anwalt der AfD betont, vor dem Grundgesetz seien Männer und Frauen gleich. »Das bedeutet aber nicht, dass der Staat die Gleichheit der Mandate von Männern und Frauen verordnen darf.«

Für die Gegenseite sagt Jelena von Achenbach, die Anwältin des Landtag, das Paritätsgesetz sei »zweifellos eine Innovation im deutschen Wahlrecht«. Wesentlich sei, dass Chancengleichheit bestehe - und dies sei im Paritätsgesetz gewährleistet. Erst kürzlich hatte das Thüringer Verfassungsgericht das dortige Paritätsgesetz gekippt. Dies muss allerdings nicht heißen, dass es in Brandenburg genauso kommt. Denn hier verpflichtet die Landesverfassung ausdrücklich dazu, wirksame Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen zu ergreifen, wie von Achenbach extra hervorhebt, denn das könnte in der juristischen Auseinandersetzung helfen. Dazu gehöre, etwas dagegen zu tun, dass Frauen im Parlament unterrepräsentiert sind. Deshalb sei das Paritätsgesetz »in vollem Umfang verfassungsgemäß«, so von Achenbach.

Sollte das Gesetz allerdings keinen Bestand haben, »werden wir uns weitere Schritte überlegen«, versichert die Landesgleichstellungsbeauftragte Manuela Dörnenburg. So ähnlich sieht das auch Mariana Kraft von der Grünen Jugend. Sie erwartet vom Gericht gegebenenfalls eine kostruktive Kritik, die dem Landtag ermöglichen würde, das Gesetz nötigenfalls nachzubessern, damit es am Ende in jedem Fall einen zur Hälfte mit Frauen besetzten Landtag gebe.

»In vielen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens wird die Gleichberechtigung durch entsprechende gesetzliche Regelungen gesichert. Es gibt keinen Grund, warum gerade das Landesparlament davon ausgenommen werden sollte«, meint Linke-Landeschefin Katharina Slanina, die Jura studiert hat. »Erst wenn das für alle selbstverständlich ist, braucht es kein Gesetz mehr!« Auch SPD und Grüne waren bereits bei früheren Wahlen mit streng quotierten Listen angetreten. Mit Agenturen

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