Vom Nervengift bis zur Alzheimertherapie

Cholinesterasehemmer wirken auf das vegetative Nervensystem, können nützliche Medikamente sein, haben aber nicht nur harmlose Nebenwirkungen.

  • Lesedauer: 2 Min.

Im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Vergiftung des russischen Oppositionspolitikers Nawalny wurde die Wirkstoffgruppe der Cholinesterasehemmer als Auslöser genannt. Diese Substanzen können physiologisch wie medizinisch durchaus segensreich sein, denn sie bewirken nützliche Vorgänge: Sie verengen die Pupillen, fördern die Tätigkeit verschiedener Drüsen, lassen also Tränen, Speichel und Schweiß fließen, aber auch Verdauungssäfte. Sie können die Herzfrequenz senken, die glatten Muskeln des Darms stimulieren und zur Aktivität des Urogenitaltraktes beitragen. Das geschieht, indem sie den Neurotransmitter Acetylcholin verstärken, also dessen Abbau durch Enzyme verhindern. Damit wird die Aktivität des unwillkürlichen (vegetativen) Nervensystems erhöht. Wenn der Botenstoff aber nicht mehr abgebaut wird, können die Folgen tödlich sein: Muskelkrämpfe mit anschließender Herz- und Atemlähmung.

Medizinisch zum Einsatz kommen Cholinesterasehemmer bei Darmverschluss, Störungen der Blasenentleerung oder Mundtrockenheit. Als Alzheimertherapeutikum sind sie in den vergangenen Jahren ebenfalls in der Debatte, wenn auch mit Einschränkung: Denn vor allem sorgen sie wohl dafür, dass verschiedene Symptome, wie Gedächtnisstörungen und solche der Informationsverarbeitung, der Alltagsfertigkeiten und des Verhaltens sich vorübergehend nicht weiter verschlechtern. Sie wirken also verzögernd auf das Fortschreiten dieser Demenzform, können aber den Verlauf nicht umkehren. Leider haben sie auch gravierende Nebenwirkungen: Durchfall, Übelkeit, Krämpfe.

Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Schädlingsbekämpfung. Besonders effektiv gehemmt wird die Acetylcholinesterase durch bestimmte organische Phosphorsäureester - und das ist das traurige Ende der Geschichte - die als Nervenkampfstoffe bekannt wurden, darunter Sarin, VX und Nowitschok. Die Aufnahme all der genannten Hemmstoffe ist auf verschiedenem Wege möglich: Über die Atmung und die Verdauungsorgane, aber auch über die Augen oder die Haut. uhe

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