Schweinepest wütet mindestens ein Jahr

Innenminister und Staatssekretärin besuchen Technische Einsatzleitung in Eisenhüttenstadt

Der Trampelpfad führt durch Wald und Heide. Ein Mann streift mit einem Schäferhund umher. Es würde nicht wundern, plötzlich vor einer Rotte Wildschweine zu stehen, doch die lassen sich hier nicht blicken. Die Technische Einsatzleitung zur Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest ist ganz in der Nähe untergekommen, auf dem Gelände der Landesfeuerwehrschule, das zu Eisenhüttenstadt gehört.

Dort stehen in einem Raum acht Laptops bereit, an vier dieser Geräte sitzen Männer in Feuerwehruniform bei der Arbeit. Ihr zeitweiliger Chef Ulli Marquardt trägt einen zivilen Anzug. Er ist Veterinärmediziner und steht an einer Landkarte, in der das von der Schweinepest befallene Gebiet eingezeichnet ist. Es handelt sich um die Technische Einsatzleitung, bestehend aus insgesamt sechs Mitarbeitern, die aber nicht rund um die Uhr arbeiten und auch nicht am Wochenende. Das sei im Moment nicht erforderlich, erklärt Marquardt, die Verantwortlichen seien aber 24 Stunden am Tag erreichbar.

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»Hier wird koordiniert, nicht entschieden. Die Entscheidungen trifft der Krisenstab in Potsdam«, erklärt Innenminister Michael Stübgen (CDU), der am Donnerstag vorbeischaut. Er ist hier der Hausherr. Ihm untersteht die Landesfeuerwehrschule. Zuständig für die Pest ist aber Verbraucherschutzministerin Ursula Nonnemacher (Grüne), deren Staatssekretärin Anna Heyer-Stuffer auch nach Eisenhüttenstadt gefahren ist.

Räume und Kräfte für die Bekämpfung der Schweinepest waren an der Landesfeuerwehrschule nicht so leicht zur Verfügung zu stellen. Denn der Lehrbetrieb laufe trotz Corona voll weiter, erläutert Minister Stübgen. Doch für die Feuerwehrleute ist es Ehrensache, immer und überall zu helfen. »Wenn wir gebraucht werden, machen wir das«, haben sie dem Minister versichert.

Vor 14 Tagen wurde die Tierseuche bei einem toten Wildschwein nachgewiesen, das in Schenkendöbern im Kreis Spree-Neiße gefunden wurde. Inzwischen gibt es Fälle bis hoch nach Neuzelle im Kreis Oder-Spree, nicht mehr weit weg von Eisenhüttenstadt.

Erst wurde ein Gebiet von 40 Quadratkilometern mit mobilen Elektrozäunen eingegrenzt, um die Ausbreitung der Schweinepest einzudämmen, nun sind es schon 150 Quadratkilometer. Zum gefährdeten Gebiet gehört mittlerweile auch eine Ecke im Landkreis Dahme-Spreewald. Eingeschleppt wurde die Afrikanische Schweinepest aus Polen, wo sie bereits auf Bestände von Hausschweinen übergegriffen hat. In Brandenburg ist das glücklicherweise noch nicht der Fall.

An der polnischen Grenze stand schon seit Ende 2019 ein mobiler Elektrozaun zur Abwehr der Schweinepest. Nun wird seit Dienstag auf einem Abschnitt ein fester Maschendrahtzaun errichtet, damit nicht noch mehr infizierte Wildschweine aus dem Nachbarland nach Brandenburg vorstoßen. Eigentlich sollte zur Sicherheit ein zweiter fester Zaun auf polnischem Gebiet entstehen. Die Bundesrepublik hätte ihn bezahlt. Aber die Verhandlungen darüber sind gescheitert. Brandenburgs Landtag beschließt am Donnerstag einstimmig einen gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen SPD, CDU und Grüne sowie der oppositionellen Linksfraktion, in dem ein stabiler Zaun an der gesamten Grenze zu Polen gefordert wird.

Ein fester Zaun soll auch rund um das Gefahrengebiet in Südostbrandenburg entstehen, wenn klar ist, wie weit sich die Schweinepest hier schon ausgedehnt hat. Dazu muss die Gegend nach toten Wildschweinen abgesucht werden. Zwei Hundestaffeln sind dabei mit im Einsatz und auch ein Hubschrauber mit Wärmebildkamera. Auch die Bundeswehr könnte mit Soldaten helfen, wurde bisher aber nicht angefordert. Einstweilen stehen verschiedene mobile Zäune.

Das sorgt für Verwirrung. Ein Jäger meldete einen Zaun, an dem kein Strom anliegt, der also seinen Zweck nicht erfüllen könne. Das schien Beleg dafür, dass die Politik mit der Krise überfordert sei und nichts funktioniere. Oder-Spree-Landrat Rolf Lindemann (SPD) wird ärgerlich. »Was wir jetzt nicht brauchen können ist, dass jeden Abend ein anderer Schlaumeier im Fernsehen auftritt«, schimpft er. Man sei dem Hinweis nachgegangen. Es habe seine Richtigkeit, dass der betreffende Zaun keinen Strom führe. Er grenzte das erste kleinere Gebiet von 40 Quadratkilometern mit ein. Da nun ein größeres Gebiet eingezäunt sei, benötige man ihn nicht mehr, versichert Lindemann.

»Wichtig ist, dass wir zusammenhalten«, ermahnt Staatssekretärin Heyer-Stuffer die Bauern und Jäger. »Die Lage ist ernst«, gibt sie zu. Landesbauernpräsident Henrik Wendorff hatte sich vor einigen Tagen beschwert, dass es noch keinen festen Zaun gebe. Der Landtagsabgeordnete Thomas Domres (Linke) hatte gemeint, eine zentrale Technische Einsatzleitung sei sicher sinnvoll, das »A und O« sei aber eine bessere Kommunikation mit den besorgten Bauern und Jägern. Derzeit ist die Jagd in der Gefahrenzone übrigens verboten. Denn wenn die Büchse knallt, scheucht das Wildschweine auf. Sie könnten bei der Flucht die Schweinepest in bisher noch nicht befallene Regionen tragen.

»Drei Landkreise sind im Moment betroffen. Wir müssen befürchten, dass es noch mehr werden«, sagt Innenminister Stübgen. »Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Seuche zu bekämpfen und wenn möglich in Deutschland auszulöschen.« Das ist keinesfalls in einigen Tagen oder Wochen getan. Die Bewältigung so einer Krise dauere mindestens zwölf Monate, weiß Staatssekretärin Heyer-Stuffer. Und das sei noch optimistisch gerechnet, ergänzt Tierarzt Marquardt.

Sie sprechen am Morgen von 29 Schweinepestfällen. Am Nachmittag sind es dem Friedrich-Löffler-Institut zufolge bereits 32.

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