Ultimatum in Thailand

Studenten fordern Premier Prayuth auf, innerhalb von drei Tagen zurückzutreten / Die Regierung gibt ein bisschen nach

  • Daniel Kestenholz, Bangkok
  • Lesedauer: 3 Min.

Die von Studenten und Schülern angeführte Protestbewegung in Thailand hat etwas geschafft, was Gegner und Kritiker der Regierung seit Jahren nicht schafften: Die Machthaber in Bedrängnis zu bringen und ihnen ein einziges Zugeständnis abzuringen. Unter wachsendem Druck hat die Regierung in der Nacht zu Donnerstag den Notstand aufgehoben. Doch die Regierungsgegner wollen viel mehr: den Sturz der Machthaber, Modernisierung und Reformen.

Vor der jüngsten Protestwelle, die jeweils ab dem späten Nachmittag Verkehrsachsen lahmzulegen beginnt, hat die noch vom Putschregime 2014 entstammende Regierung die jungen Leute noch belächelt. Ihnen fehle der Rückhalt im Volk, die Forderungen seien zu radikal. Doch schnell traute auch Premierminister Prayuth Chan-ocha seinen Augen nicht. Zum Teil Zehntausende von Schülern, Studenten und Aktivisten nehmen Bangkok tagtäglich mit friedlichen Protestmärschen in Beschlag. Vergangene Woche rief die Regime einen neuen Notstand für Bangkok aus - einen zweiten Notstand neben den Sondermaßnahmen zur Bekämpfung der Covid-Pandemie. Doch während Thailand dank resoluter Abschottung die Viruskrise im Griff hat, beginnt die politische Krise die Machthaber nervös zu machen.

Bislang lief das immer so: Stand die Regierung Protesten und Kritikern gegenüber, änderte sie die Gesetze in einer Weise ab, dass den Gegnern das Wasser abgegraben wurde. Die größte, wirksamste Gesetzesänderung ist die von den Uniformierten ausgearbeitete Verfassung, wonach für wichtige Beschlüsse nicht nur die Stimmen von Abgeordneten benötigt werden, sondern auch von Senatoren. Diese sind alle vom Regime handverlesen und sichern der Regierung immer die notwendige Mehrheit.

Thailands Opposition und Regierungskritiker haben nicht den Hauch einer Chance, gegen dieses System anzukommen. Also schlagen sie jetzt eine neue Gangart ein, angeführt von Thailands junger Generation, der in den späten 1990er Jahren geborenen Generation Z, die zeitlebens nur Militärregierungen, zwei Staatsstreiche, Stagnation sowie Misswirtschaft und Inkompetenz kennengelernt hat. Am Mittwoch forderten die Demonstranten, dass Regierungschef Prayuth innerhalb von drei Tagen zurücktritt und das Notrecht auflöst - dies neben den übrigen Forderungen nach einer neuen Verfassung und Reformen der Monarchie.

Das Notrecht wurde bereits gekippt. Angeblich hätten die Behörden und Sicherheitskräfte die Lage im Griff, hieß es in einer Regierungserklärung. Der angebliche Zwischenfall, der als Vorwand für die Ausrufung des Notrechts galt, wird nicht länger erwähnt. Demnach sollen Demonstranten einen Konvoi von Königin Suthida angegriffen haben. Was nicht der Fall war, wie Bildmaterial belegt. Die Demonstranten ließen sich vom Notstand aber nicht beeindrucken und führten ihre friedlichen Proteste fort, auch wenn mittlerweile mehr als 70 Schlüsselpersonen verhaftet wurden, darunter alle prominenten Protestführer. Die Bewegung ist agil, Versammlungsorte werden kurzfristig bekannt gegeben und die Polizei hat es bislang nicht geschafft, eine einzige Barrikade zu halten.

Doch die Ziele der Protestbewegung sind so hochgesteckt, dass sie ohne größere Konfrontation und Umwälzungen nicht zu erreichen sind. Auch wenn die jungen Menschen beispielsweise die Besteuerung des auf 40 Milliarden Dollar geschätzten Privatvermögens des Königs fordern, weite Bevölkerungskreise im Land stehen weiterhin hinter der Krone. Auch wenn König Maha Vajiralongkorn mit seinem ungewöhnlichen Lebensstil die Gemüter von progressiveren Kreisen erhitzt, Thailands Streitkräfte, die das Land auch nach den Feigenblattwahlen von vergangenem Jahr weiterhin kontrollieren, verstehen sich weiter als die Hüter der Krone.

Ein weiterer Putsch scheint im derzeitigen Thailand nicht ausgeschlossen. Oder Regierungskreise zetteln eine Konfrontation an, die zu hartem Vorgehen legitimieren soll. Doch der Unmut im Land, der durch die von der Corona-Pandemie angefeuerte Wirtschaftskrise noch verstärkt wird, ist kaum mehr zum Schweigen zu bringen. Ohne Reformen macht sich noch schärfere Frustration breit.

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