Start mit amtlichem Segen

Erste zertifizierte Konto-Vergleichsplattform

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Potenzielle Kunden schauen gerne zunächst einmal in einem Verbraucherportal nach. Egal, ob es um ein neues Girokonto geht oder ob ein Hausbau finanziert werden soll: Viele Verbraucher suchen im Internet nach günstigen Angeboten. Dutzende Preisvergleichsportale versprechen, nur das Beste für die Nutzer herauszufinden. Doch ganz so eindeutig ist das alles nicht. Das zeigt der Fall von »Finanztip«.

Ins Gerede gekommen

»Finanztip« ist ein Verbraucher-Ratgeber, der durchaus Vertrauen verdient hat. Seit 2014 wird er von Hermann-Josef Tenhagen, dem ehemaligen Chefredakteur von »Finanztest«, geleitet. Betrieben wird die Internetseite von der Finanztip Verbraucherinformation GmbH. Diese ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Finanztip Stiftung, deren Stiftungszweck die Förderung von Finanz- und Verbraucherbildung ist. So weit, so gut.

Doch Tenhagens Portal wurde kürzlich wegen Schleichwerbung und Irreführung von Verbrauchern verurteilt. Das Oberlandesgericht Dresden (OLG) sah im Geschäftsmodell von »Finanztip« Wettbewerbsverletzungen. Verbraucher seien vor Nutzung der Vergleichsrechner nicht ausreichend darauf aufmerksam gemacht worden, dass die genutzten »Affiliate-Links« Werbung enthielten. Affiliate-Links (engl. affiliate »angliedern«) sind internetgestützte Vertriebsarten, bei denen in der Regel ein kommerzieller Anbieter seinen Vertriebspartnern, hier »Finanztip«, Provisionen anbietet.

Das Oberlandesgericht Dresden (Az. 14 U 207/19) verurteilte Finanztip, diese Geschäftspraktiken zu unterlassen. Die sächsischen Richter ließen gegen ihr Urteil keine Revision zu. Dagegen ging »Finanztip« vor und legte beim Bundesgerichtshof eine Beschwerde ein. Doch der BGH (Az. I ZR 145/19) wies diese Beschwerde mangels Revisionsgründen ab.

Das im Kern kritisierte Geschäftsmodell von »Finanztip« war bereits bei Fachblättern wie »Versicherungsbote« ins Gerede gekommen. Bereits 2018 hieß es dort: »Finanziert auch von Versicherern und Altersvorsorge-Anbietern. «Finanztip» ist nicht nur ein Verbraucherportal - es ist eine PR-Maschine.« Diese Auffassung kann man durch das OLG-Urteil und den BGH-Beschluss als bestätigt verstehen.

»Finanztip« selbst sieht in Affiliate-Links allerdings weiterhin keine Werbung im klassischen Sinne. Schließlich könne kein Werbetreibender eine Verlinkung bei »Finanztip« kaufen, so Hermann-Josef Tenhagen.

Selbstverständlich halte man sich aber an die Vorgaben des OLG Dresden. Auf dem Unternehmensblog werden nun das Geschäftsmodell und dessen Unterschied zu klassischer Werbung aus Sicht von »Finanztip« ausführlich dargestellt.

Bundesregierung verzichtet auf eigenes Vergleichsportal

Auch kommerzielle Vergleichsportale - das ist »Finanztip« nicht - gerieten wiederholt in die Kritik von Verbraucherschützern, Medien und Gerichten. Ihre Bewertungen wären abhängig von der Höhe der Provision, die Banken und Versicherer zahlen; die Auswahl der verglichenen Produkte sei willkürlich und die Kriterien undurchsichtig.

Solche Kritiken riefen die Politik auf den Plan. Zudem wuchs der Druck der EU in Brüssel: Mit dem Zahlungskontengesetz war 2016 die EU-Richtlinie 2014/92/EU (Zahlungskontenrichtlinie ZKRL) in nationales Recht umgesetzt worden. Neben dem Recht auf ein »Basiskonto« sind in diesem auch Regelungen zum Kontowechsel sowie zu Transparenz- und Informationspflichten fixiert.

Seit August erste amtlich zertifizierte Vergleichsplattform

Im Zuge der Umsetzung sollte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) eine Kontovergleichsseite eigentlich schon 2018 vorlegen. Doch die schwarz-rote Bundesregierung entschied sich nach längerem Hickhack dafür, keine staatliche Vergleichsseite aufzubauen, sondern eine Zertifizierung für private Internetseiten zu entwickeln.

In Deutschland gibt es nun seit August die erste gleichsam amtlich zertifizierte Vergleichsplattform für Girokonten. Es geht um das Unternehmen Check 24, das sie betreibt, und den TÜV Saarland, der die Zertifizierung vorgenommen hat. Die Zertifizierung ist nach einem erheblichen Vorlauf erfolgt, die Internetseite ist mittlerweile freigeschaltet und über den Internetauftritt von Check 24 erreichbar.

Die Internetseite weist allerdings darauf hin, dass sie keinen vollständigen Marktüberblick gebe, es seien nicht alle Banken dabei, aber immerhin mehr als 500 (von 1500). Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie man die Banken sortieren lassen kann. Wählte man etwa das Kriterium Kontoführungsgebühren, dann landete die Bank im Bistum Essen vor der Comdirect und der Commerzbank auf dem ersten Platz.

Sortiert man nach Dispo-Zinsen, liegt die Mindener Bank vor der Sydbank und der PSD Bank Karlsruhe-Neustadt. Zudem lassen sich diverse Nebenbedingungen einstellen, beispielsweise Kosten für Barabhebungen.

Weitere Vergleichssportale bemühen sich, nach unseren Informationen, um eine Zertifizierung. Bis allerdings nicht allein Girokonten im Internet einigermaßen verlässlich verglichen werden können, sondern auch Baufinanzierungen oder Rentenversicherungen, dürfte noch lange Zeit ins Land gehen.

Bis dahin sollten Sie bei allen Vergleichen skeptisch bleiben. Bei größeren Geldfragen schauen Sie bei »Finanztest« kostenpflichtig nach oder lassen sich in einer Verbraucherzentrale gegen eine kleine Gebühr beraten.

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