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  • Corona und soziale Folgen

+++ Portugals Regierung kündigt Gesundheitsnotstand an +++

Der Newsblog zur Coronakrise - Montag, 02. November 2020: +++ Patientenschützer: Kliniken melden »Fake-Zahlen« über Intensivbetten +++ Bartsch: Isolation von Heimbewohnern muss verhindert werden +++

  • Lesedauer: 8 Min.

Lissabon. Die portugiesische Regierung will nach eigenen Angaben einen landesweiten Gesundheitsnotstand verhängen, um in der Coronakrise weitere Beschränkungen anordnen zu können. Damit sollen mögliche »rechtliche Bedenken« ausgeräumt werden, sagte der sozialdemokratische Regierungschef Antonio Costa am Montag nach einem Treffen mit dem konservativen Präsidenten Marcelo de Sousa. Nur der Präsident kann den Notstand nach Konsultation des Parlaments verhängen.

Ab Mittwoch gilt für über 120 der mehr als 300 Kommunen in Portugal ein Teil-Lockdown. In den betroffenen Kommunen sollen sich die Bürger für mindestens zwei Wochen in ihre Wohnungen zurückziehen, sie dürfen aber zur Arbeit gehen, wenn Heimarbeit nicht möglich ist, und ihre Kinder in die Schule bringen. Geschäfte müssen spätestens um 22.00 Uhr schließen. Davon betroffen sind rund 7,1 Millionen Menschen und damit rund 70 Prozent der Bevölkerung.

Portugal hatte in der vergangenen Woche erstmals die Schwelle von 4000 Neuinfektionen an einem Tag überschritten. Am Montag galt eine Nationaler Trauertag zum Gedenken an die über 2500 Covid-Toten im Land.

+++ Italiens Premier kündigt weitere Verschärfungen an +++

Rom. Italiens Regierungschef Giuseppe Conte hat im Kampf gegen die zweite Coronawelle weitere Verschärfungen wie Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und die Schließung aller Museen angekündigt. Conte sagte am Montag in Rom vor dem Abgeordnetenhaus, der größeren der beiden Parlamentskammern, geplant seien neue nächtliche Ausgangsbeschränkungen im Land. Uhrzeiten nannte er nicht. Außerdem solle Italien in drei Risikozonen eingeteilt werden. Ein Teil der neuen Regeln werde in ganz Italien gelten. Noch strengere Vorschriften würden speziell für Zonen mit sehr hohem Ansteckungsrisiko erlassen.

Reisen in und aus Hochrisiko-Zonen sollten - abgesehen von Fahrten mit wichtigen Gründen - beschränkt werden, sagte Conte. Die Mitte-Links-Regierung plant zudem national für öffentliche Transportmittel eine Obergrenze von 50 Prozent der Plätze, die besetzt werden dürfen. Große Einkaufszentren sollten an Feiertagen und Wochenenden schließen. Der Präsenzunterricht in höheren Schulen soll weiter eingeschränkt werden und die Lektionen online erfolgen.

Das entsprechende neue Not-Dekret war allerdings am Montagmittag noch nicht fertig. Es hatte viel Tauziehen zwischen der Regierung und den Chefs der 20 Regionen gegeben. Conte wollte am Abend auch im Senat, der kleineren Kammer, sprechen. Im Vorfeld war von Lockdowns in Corona-Hotspots wie Mailand und einigen Regionen die Rede gewesen. Conte nannte jetzt jedoch keine konkreten Orte, für die besondere Regeln gelten könnten.

Die Regierung in Rom hatte ihre Maßnahmen zum Corona-Schutz bereits im Laufe des Oktobers mehrfach verschärft. Seit einer Woche sind Theater und Kinos geschlossen. Bars und Restaurants dürfen nur noch bis 18.00 Uhr Gäste bedienen. Das 60-Millionen-Einwohner-Land hatte am Sonntag rund 30 000 Neuinfektionen in 24 Stunden registriert. Außerdem starben etwa 200 Menschen mit oder an Covid-19.

+++ Patientenschützer: Kliniken melden »Fake-Zahlen« über Intensivbetten +++

Osnabrück. Patientenschützer werfen den Kliniken vor, freie Intensivbetten zu melden, die mangels Personal gar nicht genutzt werden können. »Die Krankenhäuser sind aufgefordert, keine Fake-Zahlen von Intensivbetten zu melden«, sagte Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. »Ebenso müssen die Länder die Fakten in den Kliniken ermitteln und Verstöße ahnden.« Brysch reagierte auf Warnungen von Fachleuten und Ministerpräsidenten, wegen der vielen Corona-Fälle könnten bald nicht mehr alle Patienten intensivversorgt werden.

Schon im März habe Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Kliniken 600 Millionen Euro zur kurzfristigen Schaffung von 12.000 zusätzlichen Beatmungsbetten bereitgestellt, sagte der Patientenschützer. Damit müssten Stand heute insgesamt 42.000 Intensivbetten zur Verfügung stehen. »Doch aktuell ist schon der Zugriff auf die 8.000 freien Intensivbetten nicht möglich«, sagte Brysch. »Denn durch das fehlende Personal ist nicht mal die Grundversorgung sichergestellt.«

Die Eindämmung des Coronavirus - und der erneute Herbst-Anstieg

Das im Frühjahr eingerichtete Intensivbettenregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), für das Kliniken täglich belegbare Betten melden müssten, suggeriere daher Kapazitäten, die gar nicht vorhanden seien. Um in der Krise belastbare Zahlen zu haben und das Leben der Menschen zu schützen, müssten die Länder »endlich ihre Aufgabe erfüllen und die tatsächliche Verfügbarkeit prüfen«, mahnte der Stiftungsvorstand.

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts hat sich die Zahl der Covid-19-Intensivpatienten binnen zwei Wochen auf 2.061 fast verdreifacht. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erwartet, dass in zwei bis drei Wochen mehr Patienten intensiv versorgt werden müssen als im Frühjahr, als der Höchststand bei 2.933 gelegen hatte. Um sie versorgen zu können, wird nach DKG-Angaben auf Pflegekräfte aus dem nicht-intensivmedizinischen Bereich zurückgegriffen werden müssen.

+++ Bartsch: Isolation von Heimbewohnern muss verhindert werden +++

Düsseldorf. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu einem Konzept für soziales Leben in Alten- und Pflegeeinrichtungen aufgefordert, um eine Isolation von Heimbewohnern während der Coronakrise zu verhindern. »Die Bundesregierung hat hier den Sommer verschlafen und ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Mich erinnert das an den Anfang der Pandemie, als es kaum Masken und Desinfektionsmittel gab«, sagte Bartsch der Düsseldorfer »Rheinischen Post« (Montag).

Seit Monaten werde über Altenheime gesprochen, zu wenig habe sich verbessert. »Wo sind die Millionen Schnelltests?«, fragt Bartsch und fügte hinzu: »Jens Spahn ist jetzt aufgefordert, den Bewohnerinnen und Bewohnern in Betreuung und ihren Angehörigen einen Plan vorzulegen, wie trotz Pandemie soziales Leben in den Einrichtungen ermöglicht werden kann. Vor- nicht nach Weihnachten.«

Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, hat seit einiger Zeit bundesweite Regeln für den Umgang der Pflegeheime mit der Coronakrise angekündigt. Er will Besuchsverbote wie im Frühjahr unbedingt vermeiden.

+++ Schärfere Corona-Beschränkungen in Deutschland in Kraft +++

Kontaktbeschränkungen für Treffen in der Öffentlichkeit, Schließungen von Restaurants, Kneipen und Kultureinrichtungen: In Deutschland sind am Montag die neuen bundesweiten Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus in Kraft getreten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonte, angesichts der »Jahrhundertsituation« der Corona-Pandemie sei diese erneute »nationale Kraftanstrengung« nötig. Der Teil-Lockdown gilt zunächst für vier Wochen.

Erlaubt ist nun in der Öffentlichkeit nur noch der gemeinsame Aufenthalt von zwei Hausständen mit insgesamt maximal zehn Menschen. Restaurants, Bars, Kneipen, Klubs und Diskotheken müssen geschlossen bleiben. Erlaubt bleibt aber die Lieferung und Abholung von Speisen für den Verzehr zu Hause. Auch Opern, Theater, Schwimmbäder und Fitnessstudios müssen geschlossen bleiben. Übernachtungsangebote für touristische Zwecke sind untersagt.

Der Einzelhandel hingegen kann seine Läden weiterhin öffnen. Auch Schulen und Kitas bleiben offen. Die Maßnahmen gelten zunächst bis Ende November. Mitte des Monats wollen Bund und Länder eine Zwischenbilanz ziehen. Einige Bundesländer weichen in Details von dem vereinbarten Maßnahmenkatalog ab. Insgesamt sind die neuen Maßnahmen weniger drastisch als im Frühjahr.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus wollte nicht ausschließen, dass die neuen Maßnahmen über den November hinaus verlängert werden. Die kommenden vier Wochen nannte er in der ARD-Sendung »Bericht aus Berlin« entscheidend dafür, die neue Ausbreitungswelle des Virus zu brechen. »Danach müssen wir weitersehen. Garantien kann niemand abgeben«, fügte der CDU-Politiker hinzu.

Spahn zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass - wie durch den Lockdown im Frühling - auch durch die neuen Einschränkungen die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus deutlich verlangsamt werden könne. Er rief die Bürger eindringlich zur deutlichen Reduzierung ihrer Kontakte auf. Damit Kitas und Schulen offen bleiben könnten, müssten die Kontakte anderweitig »umso mehr« verringert werden.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) plädierte dafür, die Schulen und Kitas so lange wie irgend möglich offen zu halten. »Die Schließungen von Kitas und Schulen sind nicht das erste Mittel. Sondern die sind das letzte Mittel«, sagte sie im »Bericht aus Berlin«. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) appellierte an die Unternehmen, Mitarbeiter so oft wie möglich ins Homeoffice zu schicken. »Wo immer das möglich ist, sollte von zu Hause aus gearbeitet werden« sagte er der »Bild«-Zeitung. »Dafür müssen Unternehmen alle notwendigen Voraussetzungen schaffen.« Wo kein Homeoffice möglich sei, müssten Hygiene- und Arbeitsschutzstandards am Arbeitsplatz besonders streng eingehalten werden.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) gab am Montagmorgen weitere 12.097 verzeichnete Coronavirus-Ansteckungsfälle binnen eines Tages bekannt. Dies ist zwar deutlich weniger als an anderen Tagen der jüngsten Zeit - da am Wochenende aber nicht alle Gesundheitsämter ihre Daten übermitteln, liegen die Fallzahlen montags immer vergleichsweise niedrig. Erst am Samstagmorgen hatte das RKI einen Rekordwert bei den täglich erfassten Neuinfektionen von 19.059 Fällen bekanntgegeben.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft erwartet angesichts der Corona-Lage einen Rekord bei der Zahl der intensivmedizinisch versorgten Patienten in Deutschland. In zwei bis drei Wochen werde die Höchstzahl der Intensivpatienten vom April übertroffen werden, dies lasse sich gar nicht mehr verhindern, sagte Verbandschef Gerald Gaß der »Bild«-Zeitung. »Wer bei uns in drei Wochen ins Krankenhaus eingeliefert wird, ist heute schon infiziert.«

Spahn will nach Informationen der Funke Mediengruppe 290 Millionen Masken aus Bundesbeständen an Pflegeheime und ambulante Pflegedienste verschicken lassen. Demnach sollen die bundesweit rund 33.000 Pflegeeinrichtungen insgesamt knapp 100.000 Pakete mit jeweils 1000 hochwertigen FFP2-Masken für das Personal und 2000 einfachen OP-Masken für die Pflegebedürftigen und ihre Besucher bekommen. Agenturen/nd

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