Was Bidens Wahl für Deutschlands Chefetagen bedeutetet

Auch der demokratische Präsidentschaftskandidat will die US-Wirtschaft gegenüber der Konkurrenz aus dem Ausland stärken

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Joe Bidens könnte doch noch gewinnen. Begeisterung löst dieser Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahl auf den deutschen Chefetagen keineswegs aus. »Wir hoffen sehr, dass die Situation in den Vereinigten Staaten nun nicht eskaliert und alle einen kühlen Kopf bewahren«, erklärte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf. Eine längere Phase der Unsicherheit würde das Vertrauen der Wirtschaft in die Zukunft beschädigen. Das Verhältnis zu den USA sei in den vergangenen vier Jahren »in schwieriges Fahrwasser« geraten. Nun sollten die Beziehungen wiederbelebt werden. »Kein amerikanischer Präsident sollte übersehen, welch großes Potenzial im transatlantischen Markt steckt.«

Genau dies könnte Biden tun. Unter seiner Präsidentschaft bleiben die USA »grundsätzlich protektionistisch«, ist Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, wie viele Beobachter überzeugt. Bidens Formel »Made in All of America« ähnelt tatsächlich Trumps »America First«. So will Biden wie Trump vermeintlich unfaire ausländische Konkurrenz bekämpfen. Gemeint ist vor allem die aus China. Laut Meinungsforschungsinstitut PEW haben mittlerweile 73 Prozent der US-Bürger ein negatives Bild von der Volksrepublik.

Biden möchte die Nachfrage nach US-Produkten mit einer 400 Milliarden Dollar (knapp 340 Milliarden Euro) schweren staatlichen Beschaffungsinitiative stärken. Aufträge soll die Regierung nur an solche Unternehmen vergeben, die überwiegend in den USA produzierte Vorprodukte verwenden. Zudem sollen vermeintlich kritische Wertschöpfungsketten zurückverlagert werden.

Joe Biden war jahrzehntelang Senator von Delaware. Seit einer Reihe von Deregulierungen gilt der Bundesstaat als das beliebteste US-Steuerparadies, in das zahlreiche Finanzunternehmen und Briefkastenfirmen einzogen. Im Gegensatz zur EU setzt Biden nicht auf (zweiseitige) Freihandelsabkommen. Und auch den »Multilateralismus«, also die Zusammenarbeit vieler Staaten, wofür lange die Welthandelsorganisation WTO stand, dürfte Biden blockieren. »Alles in allem sollte sich die De-Globalisierung fortsetzen«, erwartet Krämer, »was für Exportländer wie Deutschland problematisch ist.« Immerhin könnte Bidens Außenhandelspolitik »berechenbarer sein«, hoffen die Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe. Auch dürfte er seine europäischen Verbündeten respektvoller behandeln und nicht, wie Trump, mit Strafzöllen auf Autos drohen.

An anderer Stelle könnten die wirtschaftspolitischen Positionen unterschiedlicher kaum sein. Während Trump seinem 2017 eingeleiteten Kurs wohl treu bleiben würde, setzt Biden stark auf staatliche Investitionen sowie einen Ausbau des Sozialstaates. Dazu plant Biden, der von den meisten Gewerkschaften unterstützt wird, Reiche und Unternehmen höher zu besteuern. Der Körperschaftsteuersatz, der unter Trump von 35 auf 21 Prozent gesenkt wurde, soll wieder angehoben werden - allerdings lediglich auf 28 Prozent. Da der moderate Demokrat auch auf linke Wähler setzte, dürfte Biden den versprochenen (kleinen) »Green Deal« bei Energie und Klima versuchen. Eine Mehrheit der Republikaner im Senat könnte Biden nicht allein in diesem Punkt aber einen Strich durch die Rechnung machen.

Präsident Trump hatte in der Kombination mit Deregulierung und höheren Staatsausgaben der US-Wirtschaft jahrelang ein ansehnliches Wachstum von durchschnittlich 2,5 Prozent beschert. Ein Preis für seine Politik ist der hohe staatliche Schuldenberg, der im kommenden Jahr auf über 100 Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen und damit fast so hoch sein wird wie am Ende des Zweiten Weltkrieges. Diese Schuldenlast lässt sich nur finanzieren, wenn die US-Notenbank Fed die Leitzinsen extrem niedrig hält. Das wird die Vermögenspreisinflation bei Aktien und Immobilien weiter anfachen. Wie die Finanzkrise (2007 bis 2009) zeigte, kann diese Blase auch für die Eurozone gefährlich werden.

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