Gut fürs Geschäft

Das Kapital hofft auf einen schwachen Präsidenten.

Die Stimmen bei der US-Präsidentenwahl waren noch nicht ausgezählt, da herrschte an den US-Finanzmärkten bereits Feierlaune. Die Aktienkurse stiegen durch die Aussicht auf einen knappen Sieg des Demokraten Joe Biden, der gleichzeitig in seinen radikaleren Plänen vom republikanisch dominierten Senat gestoppt wird. Dies wäre »das beste aus zwei Welten«, kommentierte der ehemalige Hedgefonds-Manager Mike Novogratz auf dem Finanzportal Bloomberg. Denn vor allem wären dadurch Steuererhöhungen für Reiche und schärfere Regulation der Unternehmen wohl vom Tisch. »Ich denke, wir haben gewonnen, unabhängig davon, wer gewinnt«, sagte Kenneth Van Leeuwen, ein US-Vermögensberater für Wohlhabende.

Bereits vor der Wahl hatte die Wall Street nicht viel zu befürchten: »Aus Sicht des Finanzmarktes sind die Kandidaten alle relativ unproblematisch, da sie dem wirtschaftspolitischen Mainstream nahestehen«, lautete die Einschätzung der Commerzbank Ende Oktober. Nun zeichnet sich ein Sieg Bidens ab, gleichzeitig dürften die Republikaner die Mehrheit im Senat verteidigen. Dies verhindert laut Commerzbank ein »Durchregieren« Bidens. Folge: »Der von vielen Demokraten propagierte radikale Politikwechsel wird nicht stattfinden.«

Auf der einen Seite dürfte damit das von den Demokraten geforderte große Konjunkturpaket nicht Wirklichkeit werden. Sie hatten zuletzt weitere Hilfen in Höhe von bis zu 3000 Milliarden Dollar gefordert, um Unternehmen und Haushalte zu unterstützen und Investitionen zu finanzieren. Sie scheiterten aber an den Republikanern, die maximal 2000 Milliarden boten. Dieser Gegensatz dürfte sich verschärfen, sollte Biden gewinnen: »Die Republikaner werden in ihrer Rolle als Opposition sehr rasch die Gefahren übergroßer Staatsdefizite wieder entdecken und Ausgabenprogrammen der Regierung der Demokraten einen Riegel vorschieben«, prognostiziert die Commerzbank. Allerdings: Ein Paket wird es dennoch geben, wenn auch nicht so groß wie geplant. Die Schweizer Investmentbank UBS erwartet einen neuen »fiskalischen Schub spätestens im Januar 2021«.

Unklar ist damit, was aus Bidens angestrebtem, großen Infrastrukturprogramm und seinen ehrgeizigen Plänen zum Schutz der Umwelt wird. Ein nur knapper Sieg gäbe ihm »kein Mandat für den von Teilen der Partei propagierten radikalen Kurswechsel«, so die Commerzbank. »Besonders teure Vorhaben, vor allem der vom linken Flügel der Demokraten propagierte Green New Deal, dürften damit kaum Chancen auf Umsetzung haben.«

Ausfallen wird zudem wohl die von den Demokraten geplante Erhöhung der Steuern für Unternehmen und Wohlhabende. Donald Trump hatte 2018 die Steuer auf Unternehmensgewinne von 35 auf 21 Prozent gesenkt, Biden wollte sie wieder auf 28 Prozent anheben, was die Gewinne der US-Aktiengesellschaften schätzungsweise um zehn Prozent gesenkt hätte. Zudem sollten Top-Verdiener stärker zur Kasse gebeten werden. »Die Republikaner im Senat werden das verhindern«, urteilt die Berenberg Bank.

Vom Tisch ist wohl auch die schärfere Regulation der großen Technologieunternehmen wie Amazon oder Alphabet. Gegen den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung hatten die Demokraten in den vergangenen Monaten strengere Gesetze gefordert. Die dürften sie nun nicht durchsetzen können. Gleichzeitig aber entfällt auch die von Trump geplante weitere Schwächung der Rechte auf Krankenversicherung. Beides erklärt laut UBS, warum an den Börsen vor allem die Aktien »großkapitalisierter Unternehmen aus dem Technologie- und Gesundheitsbereich deutlich profitieren konnten«. Von Börsengewinnen profitieren in den USA im Wesentlichen die Wohlhabenden, da ihnen rund 85 Prozent aller Aktien gehören.

Ein Bereich, in dem der US-Präsident deutlich mehr Macht hat, ist der Handel. Hier unterscheiden sich Biden und Trump allerdings nur graduell. Trumps Strategie des »Make America Great Again« wird von Biden nicht verworfen. Er wirft Trump nur vor, die falschen Instrumente eingesetzt zu haben. Statt nationaler Alleingänge forderte der Demokrat in seinem Wahlprogramm, einen abgestimmten Kurs gegen den zentralen Feind: »Wir müssen unsere Verbündeten in einer koordinierten Anstrengung vereinen, um China unter Druck zu setzen« und »die Abhängigkeit von Konkurrenten wie China zu vermindern«.

Hier liegt die Chance für die EU. Tony Blinken, außenpolitischer Berater von Biden, hatte angekündigt, im Falle von Bidens Wahlsieg den »künstlichen Handelskrieg« mit Europa zu beenden. Das hört man in Brüssel gern. »Unter einer neuen US-Regierung wäre die Lage einfacher«, hatte EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis im Oktober gesagt. Die EU hat zudem vor einigen Monaten China zu ihrem »strategischen Gegenspieler« ernannt und schärfere Maßnahmen gegen staatliche und hochsubventionierte Unternehmen aus dem Ausland beschlossen - beides richtet sich vor allem gegen die Volksrepublik. So bietet sich die EU derzeit Washington an als Partner gegen den gemeinsamen Feind. Damit wäre auch die Tür zu einem Freihandelsabkommen EU-USA wieder offen. »Die EU und Biden könnten eine abgespeckte Version der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP anpeilen«, so die Berenberg Bank.

Im Prinzip aber folgt Biden in seinen Ankündigungen dem America-First-Kurs von Donald Trump. Mit seinem Buy-American-Programm werden US-Staatsaufträge für heimische Unternehmen reserviert. Seine Programme »Make it in America«, »Innovate in America« und »Invest in All America« zielen darauf, vor allem die US-Industrie gegen die Wettbewerber zu stärken, gerade auch im Bereich Klimaschutz. Der »Clean Energy Plan« soll gemäß Bidens Programm »die Nachfrage nach amerikanischen Produkten, Materialien und Dienstleistungen vorantreiben« und dafür sorgen, dass die »US-Autoindustrie das 21. Jahrhundert gewinnt«.

All dies soll laut Biden den »amerikanischen Arbeitern« zu Gute kommen. Doch beherrscht der Demokrat ebenso wie Trump die Technik, die abhängig Beschäftigten des Landes gleich als Ressource für die Wirtschaftsmacht der USA anzusprechen. »Amerikas Arbeiter können in der Konkurrenz leicht jeden schlagen«, wenn man ihnen »durch Investitionen die Mittel dazu gibt«. Als Quelle nationalen Erfolgs kommen dabei auch die Benachteiligten in den Blick: Um Amerikas Industrie zu »revitalisieren«, will Bidens Programm besonders solche Unternehmen fördern, »die Frauen oder People of Color gehören«.

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