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Richter in eigener Sache

Versucht US-Präsident Donald Trump sich selbst zu begnadigen?

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor zwei Jahren äußerte Donald Trump erstmals, er habe als US-Präsident das »absolute Recht« zur Selbstbegnadigung. Das verursachte Wirbel, gibt es doch nicht einen Amtsvorgänger, der dies versucht hätte. In der Hoffnung auf seinen Wiederwahlsieg im Herbst 2020 beruhigte sich Trump damals wieder. Doch seit der Wahlniederlage gegen Herausforderer Joe Biden ist das Thema Begnadigungsrecht zurück.

Die aktuelle Debatte hat zwei Seiten: Einmal geht es um Begnadigungen, die ein Präsident in den letzten Wochen seiner Amtszeit für verurteilte Personen erteilt, oft Menschen, die dem scheidenden Präsidenten nah stehen. Anfang 2001 etwa, kurz vor Übergabe an George W. Bush, amnestierte Präsident Bill Clinton seinen Bruder Roger, der wegen Rauschgiftbesitzes in Arkansas verurteilt worden war. Zudem können US-Präsidenten Personen vor einer Anklageerhebung begnadigen, wenn es sich um Bundes-Straftatbestände handelt. Bekanntester Fall war der Generalpardon für »Watergate«-Präsident Richard Nixon 1974 durch seinen Vizepräsidenten und Amtsnachfolger Gerald Ford.

Derartige Amnestien sind oft umstritten, aber nicht ungewöhnlich. Doch Trump wäre nicht Trump, gäbe es in seinem Fall nicht Begnadigungsdiskussionen, in Art wie Umfang beispiellos. Die eine betrifft Familienmitglieder und engste Vertraute, die andere ihn selbst. Was die Umgebung angeht, erörtern US-Medien Hinweise auf vorbeugende Begnadigung für seine Kinder Ivanka, Donald jr. und Eric sowie für Schwiegersohn Jared Kushner, aber auch für den persönlichen Anwalt Rudy Guiliani und weitere Vertraute, die wie der einstige Wahlkampfchef Paul Manafort Strafen absitzen. Juristisches Neuland im Fall der Familienangehörigen, so die »Washington Post«, wären vorbeugende Begnadigungen für Personen, die bislang gar nicht angeklagt wurden.

Die heftigsten Reaktionen konzentrieren sich auf eine etwaige Selbstbegnadigung Trumps, ein Schritt, den z.B. Trumps Lieblingsmoderator Sean Hannity vom rechten Fernsehsender Fox News unter die Leute bringt. »Schon die Tatsache, dass wir über eine solche Möglichkeit reden, spricht Bände über das Maß an krimineller Energie«, sagte dazu Tara Setmayer, einstige Kommunikationsdirektorin der Republikaner im Kongress. »Man bringt keine Straferlass-Überlegungen ins Gespräch, wenn man nicht berechtigte Sorge haben muss, Unrecht begangen zu haben.«

Die Verfassungsrechtler Laurence Tribe (Harvard), Richard Painter (Universität Minnesota) und Norman Eisen (Brookings Institution) erklärten bereits im Sommer 2017, als Trump vor dem Hintergrund der begonnenen Russland-Untersuchungen von Sonderermittler Robert Mueller Allmachtsfantasien durchspielte: »Kann ein Präsident sich selbst begnadigen? Vier Tage vor dem Rücktritt Richard Nixons sagte die Rechtsberatungsstelle seines Justizministeriums Nein und führte dafür ›die Grundsatzregel an, dass niemand Richter in eigener Sache sein kann‹. Das sehen wir genauso. Das Justizministerium hatte Recht mit der Auffassung, dass Orientierung in dieser Frage in den fortdauernden Prinzipien zu suchen ist, wonach niemand in ein und derselben Sache zugleich Richter und Verteidiger sein kann und niemand über dem Gesetz steht.«

Mit Blick auf die aktuelle Debatte sagte Laurence Tribe dem »Guardian«: »Es versteht sich von selbst, dass das Begnadigungsrecht nicht als Lizenz für künftige Straftaten genutzt werden darf. Das Kernproblem besteht ja darin, dass ein Präsident, könnte er sich selbst amnestieren, seine gesamte Präsidentschaft hindurch straflos Verbrechen begehen könnte. Er könnte die Schatzkasse plündern, den Chefrichter am Obersten Gericht bestechen, das Grundsatzurteil zum Erlaubnis des Schwangerschaftsabbruchs kippen und jemanden auf der Fifth Avenue erschießen, wissend, dass er dafür nie bestraft werden kann.«

Stellungnahmen Trumps gibt es nicht. Der Präsident bezeichnet alle Vorwürfe von juristischem Belang als Hexenjagd und gibt die Unschuld vom Lande. Warum er dann für sich und die Seinen überhaupt über vorbeugende Straferlasse nachdenken muss, bleibt bisher gleichfalls offen.

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