Gerechtigkeit für Aman Alizada gefordert

Gedenkinitiative und Anwalt kritisieren wiederholte Einstellung des Verfahrens und kündigen weitere Schritte an

  • Lesedauer: 3 Min.

Das Verfahren gegen den Polizisten, der den 19-jährigen Aman Alizada im August 2019 in einer Unterkunft für Geflüchtete im niedersächsischen Stade-Bützfleth erschossen hatte, ist am 18. Dezember 2020 zum zweiten Mal eingestellt worden. Der Polizist habe aus Notwehr gehandelt, so die Staatsanwaltschaft Stade, die auf Veranlassung der Generalstaatsanwaltschaft Celle noch einmal ermittelt hatte.

Angehörige und die »Initiative Aman Alizada« zweifeln dies jedoch weiterhin an. »Warum ist der spätere Schütze gewaltsam in Amans Zimmer eingedrungen? Sieht so ein Akt der Notwehr aus?«, heißt es dazu in einer Stellungnahme, die die Initiative am 27. Dezember veröffentlichte. Der Anwalt des Bruders habe bereits angekündigt, ein zweites Mal Einspruch gegen die Einstellung des Verfahrens einzulegen, so die Initiative.

Aman Alizada war Ende 2015 im Alter von 15 Jahren unbegleitet minderjährig aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet. Er gehörte der Minderheit der Hazara an, suchte hier Schutz vor Verfolgung. Alizada soll psychische Probleme gehabt und Anzeichen einer Schizophrenie gezeigt haben. Weil sich sein Zustand weiter verschlechterte, hatte ein Mitbewohner am 17. August 2019 die Polizei in die Unterkunft gerufen. Die Beamten hätten zunächst Pfefferspray eingesetzt. Wenig später soll Alizada mit einer Hantelstange in Richtung der Polizist*innen gegangen sein, woraufhin einer fünf Mal auf den Geflüchteten schoss.

Alizadas Tod hatte von Anfang an Aufmerksamkeit erregt und früh viele Fragen aufgeworfen. Ein forensisches Gutachten, das die Schüsse rekonstruierte, schließt einen Angriff des Jugendlichen auf den Beamten aus: »Die erhöhte Position der Schusswaffe gegenüber Aman Alizada ist ausschließlich damit erklärbar, dass dieser bei der Abgabe der tödlichen Schüsse saß, lag oder sich jedenfalls in gebückter Position befand. Ein unmittelbar bevorstehender Angriff auf den Beschuldigten wird damit (rechtsmedizinisch) ausgeschlossen.«

Statt Dolmetscher*innen oder psychiatrisches Personal einzuschalten, hätten die Polizist*innen grundlos eskaliert, kritisieren Anwalt, Angehörige und Initiative. Auf einer Demonstration im Oktober 2019 hatten rund 200 Menschen Aufklärung gefordert, darunter auch der Flüchtlingsrat Niedersachsen.

Mitte Juni 2019 war die zuständige Staatsanwaltschaft Stade zum ersten Mal zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich um Notwehr gehandelt habe. Auch damals sollte es keine weiteren Ermittlungen und auch keine Anklage geben. Der Anwalt des Bruders hatte daraufhin Beschwerde gegen die Einstellung der Ermittlungen eingelegt und gefordert, diese wieder aufzunehmen sowie den Polizisten wegen Totschlags anzuklagen.

Die Initiative setzt sich nun dafür ein, dass der Fall der Staatsanwaltschaft Stade entzogen wird und stattdessen ein unabhängiges Verfahren mit einer von der Polizei und Staatsanwaltschaft unabhängigen Kommission von Expert*innen eingeleitet wird. »Dass die Staatsanwaltschaft allen Anschein nach überhaupt kein Interesse zeigt, den Tathergang und die Verhaltensweisen der Anwesenden Polizist*innen, welche auch Widersprüchlichkeiten zueinander aufzeigen, aufzuklären, ist nicht hinnehmbar.« Die Initiative werde nicht aufhören, Gerechtigkeit für Aman Alizada zu fordern. vfi

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