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My Eggs-Boyfriend

  • Olga Hohmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Als mein Eggs-Boyfriend sich, ganz plötzlich, im Urban Sports Club anmeldete, bekam er nicht nur uneingeschränkten Zutritt zu sämtlichen Fitnessstudios der Stadt und dem (von ihm häufig frequentierten) Spa im Hilton Hotel, er bekam auch »Luke«. »Luke« war ein Personal Trainer. Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob »Luke« sein tatsächlicher Name war, oder ob mein Eggs-Boyfriend sich den Namen ausgedacht hatte, weil er ihn für angemessen hielt.

Aber ich merkte schnell, dass »Luke« mehr war als nur ein Sport Coach - er war auch ein Life Coach. Er hatte Meinungen zu verschiedenen Bereichen des Lebens, aber, wenig überraschend, war es vor allem das Thema Ernährung, in dem er ein besonderer Experte war. Es gab bestimmte Regeln, vor allem Verbote, die zusätzlich zum Training zu beachten waren. An eine dieser Regeln erinnere ich mich besonders: »Reis, Brot und Pasta kommen mir nicht ins Haus.«

Spaß und Verantwortung
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist, und versucht es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen.

»Lukes« Imperative rhythmisierten das Leben meines Eggs-Boyfriends enorm - und meines durch seines. Bald konnten wir zum Beispiel nur noch bei ihm übernachten, weil er vor dem Schlafengehen sein Frühstück zubereiten musste: Er legte Chia-Samen in Mandelmilch ein und nahm danach drei Walnüsse zu sich, weil diese reich an Melatonin sind und »Schlaf der Schlüssel zu Schönheit und Zufriedenheit ist«. Mein Eggs-Boyfriend musste außerdem seine Dosis Vitamine morgens mit seinem Chia-Pudding zu sich nehmen, weil er wegen des »hohen Zuckeranteils« nach 14 Uhr kein Obst mehr essen durfte.

»Luke« erwähnte auch, dass die älteste Frau der Welt mindestens zwei hartgekochte Eier pro Tag verzehrt habe - dasselbe tat mein Eggs-Boyfriend nun auch, mit dem Unterschied, dass er vorher das Eigelb (den »fetthaltigsten Teil«) entfernte. Er gab das Eiweiß einzeln in kochendes Wasser und »pochierte« es auf diese Weise - eine Zubereitungsart, für die er sich entschieden hatte, weil sie kein Öl beinhaltete. Der Verzehr von Rührei oder Spiegeleiern war verboten, vor allem, wenn man sie in einem Restaurant bestellte, denn »man weiß nie, welches Öl in anderer Leute Küchen verwendet wird« - die einzige Art Fett, die ihm noch »ins Haus kam« war Kokosöl.

Seit ich ihn kennengelernt hatte, befand sich mein Eggs-Boyfriend in ständig wechselnden Zuständen des Unglücklichseins, die sich oft in Antriebslosigkeit zeigten. Von einem Tag auf den anderen verschwanden diese Stimmungen. Wenn ich ihn nun fragte, wie es ihm ginge, antwortete er immer: »Bestens.« Sein Körper produzierte so viele Endorphine und Adrenaline, dass er immer gut gelaunt und motiviert war - motiviert, Sport zu treiben.

Neben seinem nun muskulösen Bauch, Oberarmen und Nacken veränderte sich auch sein Geruch und die Beschaffenheit seiner Haut und Haare. Auf chemischer Ebene erkannte ich ihn kaum wieder - er schien nun hauptsächlich aus Protein zu bestehen, was ihm gleichzeitig eine gewisse Fettigkeit und Pudrigkeit beziehungsweise Schuppigkeit verlieh. Er produzierte auch mehr Testosteron als vorher, was seinen Geruch stark veränderte. Der mir einst so vertraute Körper wurde mir mit jedem Tag fremder.

Mein Eggs-Boyfriend kritisierte nie meinen eigenen, untrainierten Körper und sagte mir immer noch regelmäßig, dass ich die »schönste Frau der Welt« sei, was mir zunehmend unglaubwürdig erschien. Dennoch gibt es einen Satz, den er mir einmal sagte und der mich bis heute verfolgt: »Wenn du mal ein bisschen was machen würdest, könntest du richtig heiß aussehen.«

Auch »Luke« spricht noch ab und zu als innere Stimme (als Alter Ego meines Eggs-Boyfriends) mit mir - vor allem im Supermarkt, wenn ich an Reis, Brot und Pasta vorbeigehe (die mir, zugegebenermaßen, noch immer kaum »ins Haus kommen«).

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