Pop-up-Radwege für jeden Bezirk

Deutsche Umwelthilfe will mit Anträgen Schwung in die Verkehrswende bringen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) will neuen Schwung in die Ausweisung von Pop-up-Radwegen bringen. Demnächst sollen Anträge für Dutzende dieser provisorisch abgeteilten Fahrradspuren bei allen Berliner Bezirken eingehen. Garniert werden die Anträge mit einem Rechtsgutachten, das der renommierte Verwaltungsrechtler Remo Klinger zusammen mit seiner Kollegin Silvia Ernst im Auftrag der Umwelthilfe angefertigt hat.

»Gerade in Berlin halten wir es für notwendig, sich auf die langfristig anhaltenden Sondereffekte der Covid-19-Pandemie einzustellen«, sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch zu »nd«. »Wir erwarten, dass durch das Bashing des Öffentlichen Personnennahverkehrs als Infektionsherd der Autoverkehr über den Zahlen von vor der Pandemie liegen wird und sich der Radverkehr gleichzeitig verdoppeln könnte«, so Resch weiter. »Die geschützten Verkehrsräume müssen wachsen«, so seine Schlussfolgerung.
Rechtsanwalt Klinger hat die DUH mit einem Klagemarathon gegen deutsche Kommunen gerichtlich zur Verhängung von Diesel-Fahrverboten wegen überschrittener Schadstoff-Grenzwerte gezwungen. In Berlin erging ein entsprechendes Urteil des Verwaltungsgerichts im Oktober 2018.

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»Die Einrichtung von Pop-up-Radwegen ist unabhängig von infektionsschutzrechtlichen Erwägungen zulässig«, heißt es in dem Gutachten. Die Corona-Pandemie sei zwar wegen plötzlich steigender Radverkehrszahlen Anlass gewesen, sich mit der Zulässigkeit von Pop-up-Radwegen zu beschäftigen. Sie sei aber nicht »Rechtsgrund für deren Anordnung« gewesen.
Für Verunsicherung hatte das Verwaltungsgericht Berlin gesorgt. In einem Eilverfahren auf Antrag eines AfD-Abgeordneten ordnete es im September 2020 den Abbau der Radstreifen an. Das Oberverwaltungsgericht kassierte die Eilentscheidung im Oktober vorläufig und am 5. Januar endgültig, nachdem das Land Berlin Widerspruch eingelegt und Zahlen zur Verkehrsbelastung durch Autos in den betreffenden Straßen nachgereicht hatte. Juristisch vertreten wurde es dabei übrigens durch Remo Klinger. Im Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht steht die Entscheidung noch aus.

»Durch die Nachbesserung der Begründungen konnte die vorläufige Bestandskraft gesichert werden, auch unter den erschwerten Rahmenbedingungen einer radfahrerfeindlichen Straßenverkehrsordnung«, sagt Umweltlobbyist Jürgen Resch. Beantragt werden sollen Pop-up-Radspuren auf Dutzenden Straßen. »Hier zählen wir auf das Wissen der Zivilgesellschaft und williger Politiker vor Ort. Wir wollen ihnen mit unserem Rahmenantrag das Werkzeug dafür geben«, so Resch weiter. »Wir müssen Geschwindigkeit in die Bezirke bringen, die die Umsetzung der Verkehrswende bräsig verhindern. Es muss sich in diesem Wahljahr 2021 spürbar etwas ändern«, sagt Resch. Ziel sei eine Umsetzung der Radwege bis April oder Mai.
Auf der Kantstraße in Charlottenburg sind die Markierungen der Pop-up-Radspur kaum noch zu erkennen. Nur Friedrichshain-Kreuzberg plant noch einen Zuwachs. In der Lindenstraße soll eine nur Fahrradfahrenden vorbehaltene Spur entstehen. Bisher gibt es dort nur einen sogenannten Angebotsstreifen, der mit einer dünn gestrichelten Linie abmarkiert ist. »Die Abschnitte, die leicht umsetzbar sind, haben wir gemacht«, sagt Felix Weisbrich, der Leiter des bezirklichen Straßen- und Grünflächenamtes zu »nd«. »Sie sind häufig eine sehr gute Lösung, aber nicht immer die Lösung«, erklärt er.

In Marzahn-Hellersdorf gibt es nach wie vor keinen einzigen Pop-up-Radweg. Als inzwischen einziger Bezirk sind auch beide Radverkehrs-Planerstellen nicht besetzt, wie die Antwort auf eine Schriftliche Anfrage des Linke-Verkehrspolitikers Kristian Ronneburg ergibt. »Es erfolgen zwar Bewerbungen auf die ausgeschriebenen Stellen, jedoch scheitert eine Auswahl meistens am für das Aufgabengebiet benötigten und vorgegebenen Berufsabschluss«, meldet die zuständige Stadträtin Nadja Zivkovic (CDU). Immerhin gibt es nun einen Termin zur Abstimmung über die lange geforderte Einrichtung einer Pop-up-Radspur auf der Allee der Kosmonauten, wie Zivkovic, auf nd-Anfrage erklärt. »In so einer Notsituation sollte ernsthaft diskutiert werden, ob die Infravelo des Senats, die einen relativ großen Mitarbeiterstamm aufgebaut hat, nicht für einen gewissen Zeitraum Personal ausleihen kann«, sagt Ronneburg zu »nd«.

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