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Eine haarige Geschichte

Von Iris Rapoport , Boston und Berlin

  • Iris Rapoport
  • Lesedauer: 3 Min.

Haareschneiden schmerzt nicht, denn Haare sind tot. Ihre Wurzeln nicht. Das spürt, wer an ihnen zieht. Alle Haarwurzeln sind eng von Nerven umsponnen. Jede besitzt eine eigene Talgdrüse und einen Muskel. Außerdem werden sie intensiv von feinen Blutgefäßen versorgt. Das ist auch sehr notwendig. Immerhin wächst so ein Haar bis zu einem halben Millimeter am Tag. Da Haare im Wesentlichen aus Proteinen bestehen, müssen dazu jede Menge Aminosäuren und viel Energie herangeschafft werden.

Die Haarproteine gehören zu den Keratinen. Sie werden von den Keratinozyten der Haarwurzeln gebildet. Zusammen mit den Keratinen von Haut und Nägeln gehören sie zu einer großen Proteinfamilie. Deren Erbinformation ist in über 50 verschiedenen Genen gespeichert. Wie andere strukturbildende Proteine bestehen auch Keratine aus immer gleichen, sich vielfach wiederholenden, kurzen Abfolgen von Aminosäuren. Während deren namensgebende Amino- und Säuregruppen sich verbinden und damit das Rückgrat einer Proteinkette bilden, sind es die seitlich aus dem Strang herausragenden Molekülteile, die die unverwechselbare Natur eines Proteins bestimmen. In den Keratinen fallen dabei regelmäßig auftretende hydrophobe (wasserabweisende) Aminosäuren auf. Die neigen dazu, sich - so wie Fetttröpfchen in Wasser - zusammen zu lagern. Das klappt besonders gut, wenn die Keratinketten Spiralen bilden. Wenn sich zwei Spiralen umeinander winden, entkommen die hydrophoben Seitenketten dem Zellwasser. So entstehen die Grundbausteine der Keratinfasern. Aneinander gelagert und gebündelt bilden viele von ihnen einen Haarfaden. Zusätzlich zu den hydrophoben Aminosäuren findet sich in Keratinen auch das schwefelhaltige Cystein. Indem jeweils zwei Cysteine sich über eine Schwefelbrücke verbinden, vernetzen sie die Spiralen und sichern die Stabilität der Fasern.

Die Farbe wird dem Haar durch Melanine verliehen. Die werden von den Melanozyten der Haarwurzel gebildet. Überwiegt Eumelanin, sind die Haare dunkel bis schwarz. Überwiegt Phäomelanin, sind die Haare hell oder gar rot.

Wie bei der Bildung der Hornschuppen der Haut, wird auch der tote Haarfaden durch den Druck nachfolgender Zellen immer weiter hinausgeschoben. Das Haar wächst. Die Keratin-Faserbündel sind dabei von verhornten Zellen umgeben, die wie Schuppen eines Tannenzapfens überlappen. Sie sind mit einem dünnen Fettfilm versiegelt, den die Talgzellen liefern. Greifen die gezackten Kanten der Schuppen dicht ineinander, wirkt das Haar glänzend und glatt, stehen sie auseinander, wirkt es strohig und stumpf.

Es ist nur ein bescheidener Rest eines Haarkleides, der uns im Verlauf der Evolution verblieb. Doch der trägt durchaus dazu bei, uns vor Sonnenstrahlen, Hitze, Kälte und sonstigen Wetterunbilden schützen. Es hilft sogar, die Feuchtigkeit der Haut zu regulieren. Auch spüren wir den leisen Windhauch in unserem Schopf. Doch die Empfindlichkeit des Nervengeflechtes der Haarwurzeln von Katzen, die mit ihren Schnurrhaaren gleichsam im Dunklen sehen, besitzen wir nicht.

Und die Muskeln, mit denen viele Tiere die Haare aufrichten, um gewaltig zu imponieren oder zu drohen, erzeugen bei uns im besten Fall eine armselige Gänsehaut.

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