Heil kündigt Zuschüsse und Masken für Grundsicherungs-Empfänger an

Linkspartei und Sozialverbände kritisieren: Massnahme kommt ein Dreivierteljahr zu spät

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Berlin. Grundsicherungsempfänger können in der Corona-Krise mit Zusatz-Hilfen vom Staat rechnen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will einen Zuschlag auf die Sozialleistungen und kündigte am Freitag in Berlin kostenlose oder kostengünstige medizinische Masken für Bedürftige an. Es sei notwendig, einen Zuschuss »zügig« zur Verfügung zu stellen. Regierungssprecher Steffen Seibert stellte lediglich die Masken in Aussicht. Die Opposition und Sozialverbände begrüßten die Ankündigungen, übten aber auch Kritik.

Heil erklärte, die verlängerten und weiter andauernden Corona-Maßnahmen bedeuteten für hilfsbedürftige Menschen zusätzliche soziale Sorgen im Alltag. Kitas, Schulen und viele soziale Einrichtungen seien geschlossen. Gleichzeitig stiegen die Ausgaben der Haushalte, etwa für Hygieneartikel und Masken. Das treffe Kinder, Alleinerziehende, Ältere, Langzeitarbeitslose und Menschen mit Behinderungen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, ganz besonders. »Der Schutz vor Corona darf aber keine Frage des Geldbeutels sein«, sagte Heil. Sein Ministerium arbeite »mit Hochdruck« an Konzepten für einen Corona-Zuschlag auf die Grundsicherung, sagte Heil. Inwieweit dies von der Union unterstützt wird, blieb offen.

Bei den Masken ist man offenbar weiter. Man könne sich an der Abgabe von FFP2-Masken an über 60-Jährige orientieren, sagte Heil. Bund und Länder seien in der Verantwortung. Am Donnerstag hatte bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärt, wenn die medizinische Maskenpflicht noch über Wochen gehe, müsse man darüber nachdenken, »ob wir an dieser Stelle noch einmal helfen müssen oder nicht«.

Regierungssprecher Seibert sagte, nach dem Bund-Länder-Beschluss stelle sich nun für viele Menschen die Frage, wie sie an diese Masken kämen. Seinen Worten zufolge könnten Grundsicherungsempfänger ebenso wie bereits ältere und vorerkrankte Menschen kostenlose Masken bekommen.

Bund und Länder hatten am Dienstag beschlossen, dass in Bussen, Bahnen und Geschäften künftig FFP2- oder OP-Masken getragen werden müssen. Teilweise haben die Länder eigene Initiativen zur Beschaffung oder Verteilung der Masken gestartet. Bremen etwa will jeweils fünf kostenlose FFP2-Masken an alle Bürger zwischen 15 und 59 Jahren verschicken, wie Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) am Freitag mitteilte.

Über 60-Jährige sowie chronisch Kranke werden bereits versorgt. Sie bekamen Ende vergangenen Jahres drei FFP2-Masken kostenlos und können zweimal je sechs weitere gegen zwei Euro Zuzahlung in Apotheken erwerben. Dazu erhalten sie Coupons von ihren Krankenkassen. Den Bund kostet das Programm 400 Millionen Euro.

Caritas-Präsident Peter Neher sagte, arme Menschen seien bisher schlicht vergessen worden. Grundsicherungsempfänger und Geringverdiener müssten FFP2-Masken kostenlos erhalten. Für Obdachlose und Geflüchtete seien bereits zwei Euro Zuzahlung zu viel, ergänzte Neher. Die Diskussion um die Masken zeige, dass die Hartz-IV-Regelsätze so knapp kalkuliert seien, dass notwendige, unvorhersehbare Ausgaben unmöglich zu schultern seien: »Das kann nicht sein, wenn die eigene Gesundheit auf dem Spiel steht«, kritisierte Neher.

Diakonie-Sozialvorstand Maria Loheide sagte, eine Sofort-Unterstützung sei dringend notwendig und müsse direkt ausgezahlt werden. In den ohnehin schmalen Geldbeutel von Menschen in der Grundsicherung reiße die Corona-Krise tiefe Löcher. Die monatelangen Einschränkungen für Einkommensarme müssten jetzt ausgeglichen werden.

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Mehrere Sozialverbände hatten nach den Bund-Länder-Beschlüssen Extra-Hilfen für arme Haushalte verlangt. Die Linkspartei und die Grünen hielten Heil vor, Hilfen für die Bedürftigsten erst mit einem Dreivierteljahr Verspätung anzukündigen. Ihre Partei fordere bereits seit dem Beginn der Pandemie einen Zuschlag auf Sozialleistungen, erklärte die Parteichefin der Linken, Katja Kipping. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anja Hajduk, sagte, die Lebenssituation von Menschen in der Grundsicherung sei seit Monaten extrem angespannt. Beide Parteien fordern monatliche Zuschläge während der Pandemie und eine deutliche Erhöhung der Regelsätze auf Dauer. epd/nd

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