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Schock und Sorge

Während die Handballer in einen harten Endspurt starten, wird der Bundestrainer anonym bedroht

  • Lesedauer: 3 Min.

Hamburg. Alfred Gislason ist schockiert und in Sorge. »Das ist eine große Enttäuschung für mich. So etwas habe ich in 30 Jahren, die ich inzwischen in Deutschland lebe, noch nie erlebt«, sagte der Bundestrainer, nachdem er am Dienstagmorgen einen an ihn adressierten anonymen Drohbrief in seinem Postkasten gefunden hatte. Sollte der Isländer, so steht es in dem Brief mit vielen Rechtschreibfehlern, sein Amt nicht niederlegen, werde man ihn auf seinem Grundstück aufsuchen. Der Deutsche Handball-Bund kündigte umgehend Konsequenzen an: »Wir werden auf jeden Fall rechtliche Schritte einleiten«, sagte Verbandsvizepräsident Bob Hanning.

Am Wochenende hatte Gislason mit den deutschen Handballern die Qualifikation für die Olympischen Sommerspiele in Tokio geschafft. Neben der persönlichen Bedrohung bereitet ihm aber auch der Blick auf den langen und harten Endspurt in der Bundesliga Sorge. »Ich kann nur zuschauen und hoffen, dass sich keiner verletzt.« Die Beunruhigung ist verständlich. Ab diesem Mittwoch rücken die großen Olympiaziele der deutschen Handballer erst einmal weit in den Hintergrund: Die Klubs starten in ihren rekordverdächtigen Saisonendspurt. Titelverteidiger THW Kiel hat bis zum Ende der Spielzeit im Juni noch 23 Spiele vor sich - allein in der Liga.

Doch es sind nicht bloß die Kieler, die in den kommenden Wochen Schwerstarbeit verrichten müssen. Für die meisten Vereine beginnt nach der kräftezehrenden Länderspielwoche mit drei Spielen an drei Tagen erst jetzt die Rückrunde. Die SG Flensburg-Handewitt, mit nur einem Minuspunkt ärgster Widersacher des THW, hat wie Kiel noch nicht einmal die Hälfte aller Spieltage absolviert. Die Bundesliga wird aber alles daran setzen, ihr Programm durchzubekommen. Doch wie momentan über allem schwebt auch über dem Handball weiterhin das Damoklesschwert namens Corona. Schon der Saisonstart war pandemiebedingt verlegt worden, immer wieder mussten Spiele wegen akuter Fälle und folgender Quarantänemaßnahmen verschoben werden. Spielraum für weitere Verzögerungen bleibt praktisch keiner. Aber: Schon die Partie der Flensburger an diesem Mittwoch gegen den Bergischen HC musste aufgrund eines Infektionsfalls bei der SG abgesagt werden.

Zum Ligastress hinzu kommen die Champions League ab Anfang April mit den Achtelfinalspielen und die Qualifikation für die EM. Gislason deutete bereits an, in den Ausscheidungsspielen am 29. April in Bosnien-Herzegowina und drei Tage später gegen Estland auf seine Vielspieler zu verzichten, weil Deutschland schon qualifiziert ist. »Ich muss schauen, was für ein Programm die Spieler haben«, sagte der Bundestrainer. Und das Programm, das lässt sich schon jetzt absehen, hat es in sich. Schafft es der aktuelle Champions-League-Sieger THW Kiel erneut ins Final Four der Königsklasse, stehen die Norddeutschen bis Ende Juni noch in sage und schreibe 29 Pflichtspielen auf dem Parkett, auch auf die Flensburger warten noch bis zu 26 Partien.

»Ich hoffe, dass wir alle gesund bleiben«, sagte Flensburgs Johannes Golla. Dann sei für die Nationalmannschaft in Tokio »mit diesem Team gegen jeden Gegner etwas möglich«.SID/nd

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