Mit Impfnachweis zur Reisefreiheit

Zertifikat soll im Sommer in der EU eingeführt werden

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Berlin. Deutschland verlängert seine stationären Kontrollen an der Grenze zu Tschechien sowie zum österreichischen Bundesland Tirol um weitere zwei Wochen. Das teilte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Mittwoch auf Anfrage mit. Deutschland hatte Tschechien, die Slowakei und weite Teile Tirols Mitte Februar zu sogenannten Virusvariantengebieten erklärt. Von dort sowie aus anderen Gebieten, in denen ansteckendere und ersten Studien zufolge häufiger schwere Verläufe verursachende Varianten des Coronavirus stark verbreitet sind, dürfen aktuell nur noch Deutsche sowie Ausländer mit Wohnsitz und Aufenthaltserlaubnis in Deutschland einreisen. Ausnahmen gibt es etwa für Lastwagenfahrer und Grenzgänger mit systemrelevanten Berufen. Sie müssen einen negativen Corona-Test vorlegen, der nicht älter als 48 Stunden ist.

Reisen sollen künftig mit dem digitalen europäischen Impfausweis möglich sein. Das digitale Zertifikat wird nach dem Willen der EU-Kommission bis 1. Juni fertig sein. Die Kommission nennt das Projekt »Digitaler Grüner Nachweis« - angelehnt an den »Grünen Pass« für Geimpfte in Israel. Dokumentiert werden sollen aber nicht nur Impfungen, sondern auch Ergebnisse von zugelassenen PCR- und Schnelltests sowie überstandene Corona-Infektionen.

Justizkommissar Didier Reynders betonte im Gespräch mit dem Portal »Politico«, Bewegungsfreiheit sei eines der zentralen Rechte der Bürger in der Europäischen Union. »Das «Digitale Grüne Zertifikat» wird Bewegungsfreiheit ermöglichen und die Folgen der Restriktionen der Mitgliedsstaaten abmildern.« Da Impfung, Tests und Immunisierung aufgenommen werden sollten, sei der Ansatz nicht diskriminierend.

Welche Türen der Nachweis öffnen soll, ist aber in den EU-Staaten noch nicht Konsens. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich gegen Erleichterungen für Geimpfte ausgesprochen, solange noch wenige Menschen Chancen auf die schützende Impfung haben. Griechenland und andere Urlaubsländer dringen hingegen darauf, Reiseerleichterungen mit einem solchen Dokument zu verbinden.

Skeptisch sind einige EU-Staaten nach Angaben von Diplomaten auch gegen den Ansatz der Kommission, einen gesetzlichen Rahmen auf EU-Ebene zu beschließen - unter anderem, weil dies lange dauern könnte. Schinas sagte: »Wenn wir das nicht gemeinsam einführen mit einem gesetzlich bindenden Instrument und interoperabel, wird die Privatwirtschaft Lösungen entwickeln und sie uns überstülpen.«

Ziel ihrer Gesetzesinitiative sei es, »Reisefreiheit in der EU sicher und verantwortungsbewusst wiederherzustellen«, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch in Brüssel. Sie erwägt zudem, den Export der knappen Corona-Impfstoffe aus der Europäischen Union stärker zu beschränken. Neue Auflagen könnten dann für jene Länder gelten, die selbst keinen Impfstoff aus dem Land lassen oder die bereits einen höheren Anteil von geimpften Menschen haben als die EU, wie von der Leyen am Mittwoch in Brüssel ankündigte.

Aus der EU wurden seit dem 1. Februar nach Angaben der Kommission mindestens 41 Millionen Dosen Corona-Impfstoff in 33 Länder exportiert, obwohl in der EU selbst Impfstoff fehlt und Impfungen nur langsam vorankommen. Kritisiert werden vor allem Großbritannien und die USA, weil von dort praktisch kein Impfstoff ausgeführt werde. Aus der EU gingen nach offiziellen Angaben hingegen allein mindestens neun Millionen Dosen an Großbritannien und eine Million in die USA.

Derweil hat ein unabhängiger Expertenrat für Impfstoffe der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Zulassung des Corona-Impfstoffs der Firmen Janssen und Johnson & Johnson empfohlen. Das Mittel habe eine Effizienz von 93,1 Prozent gegen Krankenhauseinweisungen, sagte der Vorsitzende des Rates (SAGE), Alejandro Cravioto, am Mittwoch in Genf. Die Effizienz gegen einen schweren Verlauf von Covid-19 liege nach 28 Tagen bei 85,4 Prozent. Die Notfallzulassung durch die WHO gilt mit dieser Empfehlung als Formsache. Der Rat hatte die Impfstoffe von Biontech und Pfizer, von Moderna und von Astra-Zeneca zum Einsatz empfohlen. Anders als bei den bisherigen zugelassenen Impfstoffen reicht bei Johnson & Johnson eine Impfdosis. Agenturen/nd

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