Kippende Stauseen

Bevölkerungswachstum, verändertes Konsumverhalten und Klimawandel lassen das kostbare Nass nicht nur knapper werden, sondern auch schlechter.

  • Ingrid Wenzl
  • Lesedauer: 4 Min.

Die letzten Jahre in Mitteleuropa geben einen Vorgeschmack darauf, was an Dürren noch auf uns zukommen könnte. Bei einer Anwendung der Negativemissionstechnologie BECCS (Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung) könnte sich das Problem der Wasserknappheit in einigen Regionen der Welt sogar noch verschärfen. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die Anfang dieses Monats in der Fachzeitschrift »Nature Communications« veröffentlicht wurde.

Fabian Stenzel vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und seine Kolleg*innen gehen dabei von einem Zuwachs der globalen Anbaufläche für Energiepflanzen von bis zu sechs Millionen Quadratkilometern aus. Bei einer Anwendung von BECCS mit konventioneller Bewässerung verdoppele sich bis Ende des Jahrhunderts die Fläche und Zahl der heute von Wasserstress betroffenen Menschen. Bei einer ungebremsten Erderwärmung ohne BECCS nähmen sie um rund 80 Prozent zu, mit BECCS in Kombination mit einem nachhaltigen Wassermanagement um 60. Letzteres beinhaltet im Wesentlichen zwei Komponenten: »Die eine ist, die verfügbaren Wasserressourcen effizienter zu nutzen, die andere, die Entnahme von Wasser zu regulieren«, erklärt Stenzel. Dies könne über feste Quoten oder gar Verbote, Wasser zu entnehmen, geschehen oder über entsprechende Preise auf dem Markt.

Um kluges Wassermanagement geht es auch bei der Bewirtschaftung von Stauseen, denn die steigenden Temperaturen gefährden auch deren Wasserqualität. Die Harzer Rappbodetalsperre ist das größte Trinkwasserreservoir Deutschlands. Sie versorgt rund eine Million Menschen. Steigen die Treibhausgasemissionen weiter wie bisher, könnte sich ihr Oberflächenwasser in den nächsten 70 Jahren um vier Grad erwärmen. Damit wäre sie so warm wie der Gardasee heute. Zu diesem Ergebnis kommen Karsten Rinke vom Helmholtzzentrum für Umweltforschung (UFZ) und sein deutsch-chinesisches Team in einer Studie, die bereits Ende letzten Jahres im Fachjournal »Science of the Total Environment« erschien.

Sorgen macht den Wissenschaftler*innen aber vor allem die Situation in den tieferen Schichten des Sees, in 50 Metern Tiefe und darunter, aus denen das Wasser für die Trinkwasseraufbereitung entnommen wird. So erhöhten sich beim Business-as-usual-Szenario die dortigen Temperaturen um knapp drei Grad, während sie bei einer Reduktion der CO2-Emissionen bis 2100 auf netto Null und dem mittleren Szenario RCP 6.0 Ende des Jahrhunderts noch ganzjährig unter fünf Grad blieben.

»Bei einer Temperaturzunahme auf acht Grad Celsius verdoppelt sich nahezu der Sauerstoffverbrauch durch Atmungs- und Abbauprozesse von Organismen«, erklärt der Erstautor Chenxi Mi, der am UFZ über die Klimaauswirkungen auf die Rappbodetalsperre promoviert. Das ist umso gravierender, da die Seen im Sommer stabil geschichtet sind und damit das Tiefenwasser von der Atmosphäre abgeschnitten ist. Halte dieser Zustand über einen längeren Zeitraum an, lösten sich gebundene Nährstoffe und Metalle aus dem Sediment und begünstigen Algenblüten oder das Wachstum von Bakterien. Damit erhöhe sich der Aufwand für die Trinkwasseraufbereitung beträchtlich.

Dies beobachtet auch ein deutsch-brasilianisches Konsortium unter Leitung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in seinem Projekt »Multidisziplinäre Datenerfassung als Schlüssel für ein global anwendbares Wasserressourcenmanagement« (MuDak-WRM), das seine Ergebnisse vergangene Woche vorlegte. »In den Subtropen befindet sich viel Phosphor bindendes Eisen im Boden und damit auch im Stausee-Sediment. Eisen bindet Phosphor aber nur, solange ausreichend Sauerstoff im Wasser zur Verfügung steht«, erklärt der Projektkoordinator Stephan Hilgert. Wird Phosphor frei, könne dies dazu führen, dass sich Blaualgen plötzlich massiv vermehrten und das Gewässer kippe. Um solche Szenarien früh zu erkennen oder zu verhindern, brauche es ein zuverlässiges Monitoring.

Dafür fehlt es aber vielerorts an Daten. Hilgert und sein Team haben deshalb Modelle und Messtechniken erarbeitet, die möglichst einfach, kostengünstig und allgemein nutzbar sind. »Im Zentrum stehen dabei satelliten- oder drohnenbasierte Techniken, die in der Lage sind, große Flächen zu erfassen«, so der Geoökologe. Ein zentraler Mosaikstein sei dabei die Automatisierung der Datenauswertung. »Das Ziel ist, dass sich der Betreiber ein Bild zusammenbauen kann, in welcher Phase sich sein Stausee gerade befindet und daraus Trends für die Zukunft ableiten kann.«

In ihrem Projekt untersuchten Hilgert und Kolleg*innen exemplarisch die Stoffeinträge durch Erosion und Abwassereinträge aus dem urbanen Umfeld der Großen Dhünntalsperre in Nordrhein-Westfalen und des brasilianischen Passaúna-Stausees. Tatsächlich stellt Erosion landwirtschaftlicher Flächen bei letzterem die Hauptphosphorquelle dar. Wie sich zeigte, reichte allein die Aufforstung von drei Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Einzugsgebiet des Sees, um die Phosphoreinträge um rund ein Viertel zu reduzieren. Da jedoch die Bedingungen der Stauseen weltweit unterschiedlich sind, sei das Ergebnis nur begrenzt übertragbar.

Doch auch Rinke und sein Team haben durch Modellsimulationen für das Problem einer stärkeren Erwärmung des Tiefenwassers in der Rappbodetalsperre eine Lösung gefunden: So propagieren sie, anders als bisher, Oberflächen- statt Tiefenwasser in den Unterlauf zu leiten. »Damit wird die zusätzliche Wärme, die durch den Klimawandel verursacht wird, wieder abgegeben«, so Rinke. Ein Limit gebe es jedoch auch hier: Erwärme sich die Luft über sechs Grad, lasse sich ein Temperaturanstieg des Tiefenwassers nicht mehr verhindern.

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